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Frühkindliche Unterernährung aus Sicht der Betroffenen


 


   
Länder-Fallstudie
Oktober 2010
Die Schauspielerin Minh-Khai Phan-Thi war vom 20.-28.8. auf Projektbesuch in Mali: Ernaehrungssicherung, Ernaehrungsberatung schwangerer und stillender Frauen, Gesundheitsberatung und Kochdemonstationen sind im Projekt enthalten. Ausblenden

Das Programm der Welthungerhilfe zur lokalen Förderung von Landwirtschaft, Ernährung und Gesundheit

Foto: Grossmann/Welthungerhilfe, 2012; Mädchen besuchen eine Schule für nomadische Gruppen in der Stadt Nelbel in der Nähe von Mopti, Mali. Ausblenden

Anmerkung: Dieses Kapitel wurde von der Welthungerhilfe und Concern Worldwide verfasst und gibt die Ansichten und Analysen beider Organisationen wieder. Es wurde keinem Peer Review durch das Publications Review Committee von IFPRI unterzogen und kann IFPRI nicht zugeschrieben werden.

Sites of Welthungerhilfe’s Program for the Promotion of Best Practices in Agriculture, Nutrition, and Health in Mali

Die Welthungerhilfe ist seit 1968 in Mali tätig und unterstützt derzeit in 100 Dörfern, die besonders von Ernährungsunsicherheit betroffen sind, ein Programm zur Förderung der Landwirtschaft, Ernährung und Gesundheit. Diese Dörfer liegen in den beiden Landkreisen Nioro du Sahel und Diéma in der Kayes-Region nahe der mauretanischen Grenze. Von dem von 2008 bis 2011 geplanten Vier-Jahres-Programm sollen etwa 125.000 Menschen profitieren. Im Wesentlichen zielt es darauf ab, die Ernährungssituation von Kindern unter fünf Jahren, Schwangeren und stillenden Frauen zu verbessern und die Ernährungssicherheit der besonders betroffenen Bevölkerungsteile zu verbessern. Insbesondere soll durch dieses Projekt der Anteil der chronischen Unterernährung bei Kindern in besagter Region halbiert werden (siehe Kasten auf Seite 33).

In dem betreffenden Gebiet wurde vor Beginn der Projektmaßnahmen (März–Mai 2008) eine repräsentative Grundlagenstudie unter Verwendung von Cluster-Stichproben durchgeführt. Die Studie belegte, dass die Quote der Unterentwicklung in der Zielregion (37 Prozent) annährend den für das ganze Land erhobenen Zahlen entsprach. Auch zeigte sich, dass die Verhaltensweisen in Bezug auf Gesundheit und Ernährung verbesserungswürdig waren. Kleine Mengen an Wasser und ergänzende Nahrungsmittel wurden oft schon vor Vollendung des sechsten Lebensmonats verabreicht, während altersgemäße Beikost teilweise erst weit nach dem sechsten Monat zugefüttert wurde. Des Weiteren war die Häufigkeit der Beikostgabe nach deren Einführung gering. Oftmals waren die Mütter selbst unterernährt (18,1 Prozent waren mit einem BMI von unter 18,5 untergewichtig und weitere 23,5 Prozent waren mit einem BMI von unter 20 von Untergewicht bedroht) und auch das Bildungsniveau war sehr niedrig (nur 1,4 Prozent konnten lesen und schreiben, 67,9 Prozent besaßen überhaupt keine Schulbildung).

Des Weiteren stellte sich heraus, dass die Kinder häufig erkrankten: In den zwei Wochen vor der Umfrage litten 31,8 Prozent unter verschiedenen Krankheiten und 32,4 Prozent der Kinder tranken laut der Umfrage regelmäßig von unsicheren Wasserquellen. Der Zugang zu medizinischer Versorgung war beschränkt und über die Hälfte der Schwangeren (55 Prozent) hatte an keiner pränatalen Vorsorgeuntersuchung teilgenommen.

Hinzu kommt das Problem der jahreszeitlich bedingten „Hungerlücke“, die entsteht, wenn die jährliche Ernte bereits aufgebraucht und die nächste Ernte noch nicht reif ist. Im Durchschnitt beträgt der jährliche Niederschlag zwischen 300 und 550 Millimeter und konzentriert sich auf die Monate zwischen Juli und Oktober. Die Zeit nach der Ernte ist durch eine lange Dürreperiode geprägt. Angebaut werden hauptsächlich kleine Hirsen und Mohrenhirse, einige Bauern pflanzen auf kleineren Flächen auch Erdnüsse und Augenbohnen an..

Um die beschriebenen Probleme ganzheitlich anzugehen, startete die Welthungerhilfe das vorliegende Projekt. Dabei bestand die Zielsetzung darin, Kenntnisse und Praktiken im Bereich Gesundheit und Ernährung zu verbessern. Gleichzeitig wird eine höhere landwirtschaftliche Produktivität gefördert und der Ausbau der bestehenden Strukturen in den Gemeinden unterstützt, um die erzielten Fortschritte aufrechterhalten zu können.

Zwei Jahre nach der Umsetzung wurden den teilnehmenden Gemeinden Veränderungen bewusst – aktuelle Gespräche zeigten, dass diese dem Projekt zugeschrieben werden.

Bessere Versorgung von Frauen und Kindern

Foto: Marcus Kaufhold/Welthungerhilfe, 2007; Eine Mutter und ihre Tochter besuchen ein Gesundheitszentrum im Dorf Bendieli in Mali. Ausblenden

Ernährung von Kindern in Mali

über ein Drittel (34 Prozent) der Kinder in Mali ist stunted, und mehr als jedes zehnte (11 Prozent) leidet unter Wasting. Noch gravierender ist die Tatsache, dass sich keiner dieser Werte in den vergangenen 15 Jahren verbessert hat: Die Stunting-Rate blieb im Vergleich zu 1996 (33 Prozent) fast unverändert und der Anteil derer, die an Wasting leiden, hat sich von fünf Prozent im Jahr 1996 mehr als verdoppelt (UNICEF 2003–2008).

Mali ist ein in Westafrika gelegenes Binnenland mit einer geschätzten Einwohnerzahl von 13,5 Millionen (Samaké 2007). Es gehört zu den ärmsten Ländern dieser Welt. 2006 mussten über die Hälfte der Bevölkerung von weniger als 1,25 US-Dollar und über 70 Prozent von weniger als zwei US-Dollar am Tag leben. über zwei Drittel der Bevölkerung leben auf dem Land und die große Mehrheit (etwa 80 Prozent) arbeitet in der Landwirtschaft (République du Mali 2005).

Wie in den meisten anderen Teilen der Sahelzone birgt die Abhängigkeit von der Landwirtschaft als Haupteinnahmequelle auch in Mali große Risiken. Aufgrund fehlender Bewässerungssysteme ist die Ernte fast ausschließlich vom Niederschlag abhängig. Dieser fällt meist nur spärlich und unregelmäßig.

Daher sind starke Schwankungen bei der jährlichen Agrarproduktion die Regel – eine Tatasache, die für Familien und insbesondere Kinder bedrohlich sein kann. Die Folgen einer Dürre werden durch den Befall von Heuschrecken und Körnerfressern zu bestimmten Jahreszeiten noch verstärkt und können für eine durchschnittliche Bauernfamilie verheerend sein. So auch 2004, als schlechte Ernten im ganzen Land zu einer schweren Hungersnot 2005 führten. Eine ähnliche Notsituation erlebte der Norden Malis Anfang 2010 infolge von ungewöhnlich wenigen Niederschlägen im Vorjahr. Wegen der Dürre erging ein Hilfegesuch, und die entsprechenden Notfallmaßnahmen sollen über das ganze Jahr 2010 andauern. Oft wird jedoch eingewandt, dass solche Maßnahmen meist zu spät und nur unzureichend erfolgen.

In Mali findet man sämtliche indirekte Ursachen für Unterernährung. Neben begrenztem Zugang zu medizinischer Versorgung, Wasser und sanitären Einrichtungen sind Armut und hohe Ernährungsunsicherheit weit verbreitet. Außerdem ist die Fürsorge für Mütter und Kinder in vielen Gegenden nicht optimal. In einer nationalen Umfrage von 2006 gab die Mehrheit der auf dem Land lebenden Frauen (72 Prozent) an, große Probleme beim Zugang zur Gesundheitsversorgung zu haben. Fehlende finanzielle Mittel (59 Prozent), zu große Entfernung zu den Gesundheitszentren (48,2 Prozent) und die nicht vorhandenen Transportmittel (42 Prozent) wurden dabei als die häufigsten Gründe angegeben (Samaké 2007).

Laut einer zu Beginn des Projekts durchgeführten Untersuchung gab es – trotz der schwachen Gesundheitsförderung auf Gemeindeebene – einige gemeinnützige Helfer für den Gesundheitsbereich vor Ort, die jedoch diesbezüglich nicht mehr tätig waren. Zwar war zuvor eine Reihe von freiwilligen Helfern ausgebildet worden, doch aufgrund fehlender Anschlussförderung hatten die meisten ihre Tätigkeiten wieder eingestellt. Um die bereits vorhandenen Kapazitäten zu nutzen, wurden diese Freiwilligen ermittelt und für das Projekt reaktiviert. Sie besuchten Fortbildungs- und Auffrischungskurse zu einer Vielzahl von ernährungs- und gesundheitsbezogenen Themen. Dabei wurden sie von Gesundheitsberatern des Projekts betreut.

Die Ernährungsgewohnheiten im Nordwesten von Mali zu verändern, ist eine große Herausforderung. Die Familien vertreten die traditionelle überzeugung, dass Säuglinge mit tierischer Milch ernährt werden sollten. Aufgrund des niedrigen Bildungsniveaus der Frauen in der Region war es entscheidend für die freiwilligen Helfer aus dem Gesundheitsbereich, nicht nur zu wissen, welche Inhalte sie vermitteln sollten, sondern auch auf welche Weise. Alle Freiwilligen wurden daher auch hinsichtlich kommunikativer Fähigkeiten und Vermittlungsmethoden geschult. Ferner lernten sie, wie man Informationsgespräche, Beratungen und Hausbesuche durchführt. Um der Aufklärung durch die freiwilligen Helfer der Gemeinden mehr Gewicht zu verleihen, wurden zudem die wichtigsten Informationen auch in der Lokalsprache über das Radio verbreitet.

Es gibt Anzeichen dafür, dass die Mütter im Projektgebiet ihre Verhaltensweisen mithilfe der Radiodurchsagen und der Beratungsgespräche mit den Freiwilligen veränderten. Eine Mutter erklärte, dass sie entgegen der verbreiteten Gewohnheit die nahrhafte Erstmilch nicht mehr entsorgen würde. Bei ihrem jüngsten Kind wäre sie dazu übergangen, ausschließlich zu stillen und später Beikost zuzufüttern:

Jetzt geben wir den Kinder in den ersten sechs Monaten nur noch Muttermilch. Davor gaben wir den Neugeborenen anfangs Ziegenmilch, doch nun bekommen sie zuerst Muttermilch. Der Projektmitarbeiter hat uns erklärt, dass wir bei Tieren, zum Beispiel Ziegen, Kühen und Pferden, sehen können, dass sie ihren Neugeborenen auch die Erstmilch geben. Wenn Tiere ihrem Nachwuchs die Erstmilch geben, kann sie nicht giftig sein. (…) Vorher wussten wir nicht, wie man mit den Lebensmitteln, die man bei uns bekommt, angemessene Speisen zubereitet. Wir haben unserem Kind beim Essen einfach etwas [vom Teller der Erwachsenen] abgegeben.

Ich habe bemerkt, dass ich durch die Beratungsgespräche mein Verhalten verändert habe und sich das auch bei der Entwicklung meines [jüngsten] Kindes zeigt. In den ersten sechs Monaten habe ich meine Tochter gestillt und danach angemessen zugefüttert. Ich kann einen Unterschied zu meinem älteren Kind erkennen. Seit ihrer Geburt ist meine jüngste Tochter kein einziges Mal krank geworden.

Die Projektmitarbeiter veranstalteten zudem Kochvorführungen. Sie verwendeten dabei Rezepte mit vor Ort erhältlichen Lebensmitteln und veranschaulichten, wie man für eine ausgewogene Ernährung sorgt.

Verbesserter Zugang zu medizinischer Versorgung

Um eine angemessene Versorgung der unterernährten Kinder sicherzustellen, mussten den freiwilligen Helfern zunächst weitere Kenntnisse vermittelt werden, berichtete einer der Gesundheitsberater des Projekts:

Während der Schulungen zeigten wir Fotos von Kindern mit verschiedenen Erscheinungsformen von Unterernährung, zum Beispiel Kwashiorkor, Marasmus und Gewebewassersucht. Dabei verwendeten wir Fotos von Kindern aus der Region. Das war das erste Mal, dass sie Fotos von fehlernährten Kindern sahen. Zunächst konnten die Freiwilligen gar nicht glauben, dass die Kinder unterernährt waren oder aus ihrer Gegend stammten.

Einer der Freiwilligen bestätigte: „Wir kannten die Symptome nicht. Jetzt erkennen wir das Problem und wissen, wie man es angehen kann.“ Um den Müttern fehlernährter Kinder trotz aller Hindernisse Zugang zu medizinischer Versorgung zu gewähren, wurden gemeinschaftliche Ernährungsfonds mit Geldern aus den Familien eingerichtet und durch das Projekt ergänzt. Der jeweilige Fonds wird von einem Gemeindeausschuss verwaltet und bei einer Bank vor Ort verwahrt. Eine Mutter sagte über den Fonds in ihrem Dorf:

Wir verfügen mittlerweile über einen Ernährungsfonds in der Gemeinde. Wird ein Kind krank und von den Gesundheitsbeauftragten der Gemeinde an das Zentrum in Nioro überwiesen, bezahlen wir mit Geldern aus diesem Fonds den Transport des Kindes.

Bis zum Januar 2010 wurden in 48 Dörfern Ernährungsfonds mit einer Gesamtsumme von 1.583.075 CFA-Franc (etwa 3.130 USDollar) eingerichtet. Die Beschäftigten in den öffentlichen Gesundheitszentren bestätigten, dass ihre Zentren von immer mehr Gemeindemitgliedern besucht würden. Insbesondere die Zahl der überwiesenen unterernährten Kinder sei angestiegen. Dies lässt darauf schließen, dass mehr Kinder behandelt werden.

Verbesserter Zugang zu gesunden Lebensmitteln

Die verbesserte Aufklärung über Essgewohnheiten und gesunde Ernährung kann nur dann etwas bewirken, wenn hinreichend Zugang zu Nahrungsmitteln besteht. Den Ergebnissen der Grundlagenstudie zufolge sind vor allem der unbeständige Regen, die schlechte Bodenqualität, Erosion und die schlechte Saatgutqualität dafür verantwortlich, dass die Agrarproduktion nicht ausreicht, um die saisonale „Hungerlücke“ zu schließen.

Auf der Grundlage einer weiteren Studie zu Bedürfnissen und Ressourcen der Dörfer wurden im Projektgebiet verschiedene Maßnahmen zur Ernährungssicherung, Landwirtschaft und zum capacitybuilding in der jeweiligen Gemeinde umgesetzt. Für die Familienvorstände wurden Schulungen zum Thema Erosionsschutz sowie zur Saatgutverbesserung durchgeführt. Das Ziel bestand darin, die Erzeugnisse aus dem Regenfeldanbau zu maximieren und die Ernte zu diversifizieren. Ergänzt wurden diese Maßnahmen durch Schulungen zur richtigen Lagerung der Ernte, insbesondere während der Trockenzeit. Das Projekt unterstützte außerdem die Gründung von Gartenbaugemeinschaften für Frauen und den Brunnenbau.

Trotz anfänglicher Skepsis ließen sich die Bauern von den ersten Erfolgen schnell überzeugen und setzten sich für weitere Programmmaßnahmen ein.

Im ersten Jahr säten wir nur kleine Mengen vom neuen Saatgut. Wir sahen, wie viel besser es funktionierte, und verwendeten im zweiten Jahr mehr davon. Dieses Jahr nehmen einige von uns nur noch das neue Saatgut. Das neue Saatgut ergibt rund 500 Kilo pro Kilo Samen. Beim alten Saatgut waren es nur 300 Kilo. Zuvor war die Produktion von Bohnen so niedrig, dass sie nur für einen Teil des Jahres reichten. Jetzt reicht der Bohnenvorrat in den Haushalten das ganze Jahr.

Es ist entscheidend, dass gleich zu Beginn des Projekts Vertrauen zur Bevölkerung aufgebaut wird, um im nächsten Schritt mit den Bauern an der Vermehrung ihrer eigenen und der verbesserten Saatgutsorten zu arbeiten und so ihre Vorräte aufzustocken.

Durch die Schulungen für die Mitglieder der Gartenbaugemeinschaften wird nun eine größere Vielfalt an Nahrungsmittel angebaut, verzehrt und verkauft. Eine Dorfbewohnerin berichtete:

Wir bauen eine Vielzahl an unterschiedlichem Gemüse an, darunter Zwiebeln, Kohl, Tomaten, Karotten und Auberginen. Früher kannten wir nur Kopfsalat und Zwiebeln. (…) Den ersten Teil der Ernte essen wir, aber wenn die Ernte gut ausfällt, verkaufen wir auch einen Teil und sparen das eingenommene Geld. Im Rahmen des Projekts wurden in unserem Dorf ein großer und zwei kleine Brunnen gebaut. Wir müssen nicht mehr ins Nachbardorf, um Wasser zu holen. Selbst im Juni können einige noch Gartenbau betreiben.

Nach zwei Jahren Projektlaufzeit hatten 289 Gärtnerinnen eine Ausbildung im Trocknen und Konservieren von Gemüse erhalten, um so die Versorgung mit verschiedenen Nahrungsmitteln während der „Hungerlücke“ gewährleisten zu können.

Durch viele kleine Maßnahmen konnte das Projekt wesentlich zum Haushaltseinkommen und zur Ernährungssicherung beitragen.

Dauerhafte Herausforderungen

Foto: Mahamane Maïga/Welthungerhilfe, Mali, Bema, im Landkreis Diéma, Frauen aus Gartenbaugemeinschaft bei Bewässerung der Beete, 2008; Ausblenden
Beispiel für Beratungskarten, die im Rahmen des Welthungerhilfe-Projekts eingesetzt werden instruction cards

Nach zwei Jahren Projektlaufzeit hat die Welthungerhilfe einige der Herausforderungen auf dem Weg zu nachhaltigen Fortschritten erfasst und ihre Maßnahmen ausgeweitet. Sie bemüht sich um Lösungen, die diesen Erkenntnissen Rechnung tragen.

Eine Herausforderung besteht darin, dass nach dem Agrarkalender genau dann Arbeitskräfte für das Säen und Jäten der Pflanzen benötigt werden, wenn für die Bauern in Mali die „Hungerperiode“ anbricht. Den freiwilligen Helfern im Gesundheitsbereich, die selbst Bauern sind, fällt es deshalb schwer, in dieser Zeit ihren Pflichten nachzukommen. Ein Freiwilliger sagte dazu:

Alle haben tagsüber viel zu tun, sind nachts müde und möchten schlafen. Das macht es schwierig, bei den Familien vorbeizugehen, um sie über Gesundheitsthemen aufzuklären und sich nach ihrer Gesundheit zu erkundigen.

Somit ist die Kontrolle der Gesundheit und der Ernährungssituation der Kinder genau dann am schwierigsten, wenn sie am notwendigsten ist. Im Rahmen des Programms wird versucht, dises Problem durch Aufwandsentschädigungen für die Freiwilligen zu lösen. Jene werden von den Gemeinden verwaltet und ermöglichen es den Freiwilligen, Feldarbeiter zu ihrer Unterstützung einzustellen.

Problematisch ist auch die langfristige Wirkung der Maßnahmen. Da die Gemeindemitglieder – Bauern, Mütter und andere kommunale Interessengruppen – Verbesserungen in ihrem Alltag feststellen konnten, ließen sie sich erfolgreich in das Projekt einbinden und konnten sich mit den Maßnahmen identifizieren. Behörden nehmen gezielt an der Planung und Betreuung aller Maßnahmen teil, wobei alle Tätigkeiten im Rahmen des Projekts in die Strategien der Gemeinde zur ökologischen, sozialen und kulturellen Entwicklung eingebunden werden. Dennoch könnte es angesichts der begrenzten Unterstützung auf regionaler und nationaler Ebene für die Behörden vor Ort schwierig werden, ihr Engagement fortzuführen, wenn die Hilfe von außen ausläuft.

Die Erwägungen der Freiwilligen und anderer Gemeindemitglieder deuten darauf hin, dass das Programm den richtigen Ansatz verfolgt, indem es umfassend auf gesundheitliche und ernährungsbezogene Aufklärung, einen besseren Zugang zur medizinischen Versorgung und die Beseitigung der Nahrungsmittelknappheit abzielt. Eine abschließende Auswertung des Programms soll Aufschluss darüber geben, inwiefern das zusätzliche Wissen der Freiwilligen und Gemeindemitglieder Verhaltensweisen dauerhaft ändern und somit den Anteil der unterernährten Kinder in der Bevölkerung senken kann.

 

Fußnoten

  1. Die Welthungerhilfe ist der Europäischen Kommission für die finanzielle Unterstützung des Programms sehr dankbar.  
  2. Die Diagnosestudie wurde von der örtlichen Nichtregierungspartnerorganisation ADG (Association pour l’Appui au Développement Global oder Vereinigung zur Unterstützung der Entwicklung weltweit) durchgeführt. Hierbei wurden die vorhandene Literatur geprüft und Arbeitssitzungen mit verschiedenen Beteiligten, einschließlich der gewählten Vertreter und Dorfbewohner, durchgeführt. Es wurde ein partizipatorischer Ansatz verfolgt. Die Studie zeigte für jedes Dorf die genaue Lage, das Klima, die Vegetation, die Demografie sowie das Potenzial und die Grenzen der Agrarproduktion, laufende Projekte und Einrichtungen der Gemeinden sowie grundlegende Probleme und Hindernisse.  

über diese Fallstudie

Diese Fallstudie stellt ein Projekt der Welthungerhilfe im ländlichen Mali vor. Im Juni 2010 besuchte die externe Beraterin Sally Newman Abbott die von den Programmen umfassten Gebiete, um dort mit den lokalen Akteuren über deren Ansichten zum Problem der frühkindlichen Unterernährung sowie über die beobachtbaren Veränderungen und Grenzen zu sprechen.

Die Eindrücke, die für die Erstellung des Welthunger-Indexes zusammengetragen wurden, stammen von Menschen, die unmittelbar von der Fehlernährung bei Kindern betroffen sind: Mütter, freiwillige Helfer und lokale Führungskräfte. Sie sprechen für all jene, die sich täglich um eine gesunde Ernährung für Kinder und Mütter bemühen.