Kenia
Eine eingehendere Betrachtung von Hunger und Unterernährung
Ein gemischtes Bild: Armutsminderung, schnelles Bevölkerungswachstum und Wetterextreme
ABBILDUNG 1: KENIAS REGIONEN UND COUNTIES
1. Busia
2. Bungoma
3. Kakamega
4. Vihiga
5. Siaya
6. Kisumu
7. Homa Bay
8. Migori
9. Kisii
10. Nyamira
11. Trans-Nzoia
12. Uasin Gishu
13. Nandi
14. Kericho
15. Bomet
16. Nakuru
17. Elgeyo-Marakwet
18. Nyandarua
19. Nyeri
20. Kirinyaga
21. Murang’a
22. Kiambu
Hinweis: Kenia war bis 2013 in acht Provinzen unterteilt, bevor das Land eine Verwaltungsstruktur mit 47 Counties (Bezirke) einführte. Ein Großteil der verwendeten subnationalen Daten bezieht sich auf die ehemaligen Provinzen. Gemäß der Verwendung in KNBS et al. (2015) werden die früheren Provinzen im vorliegenden Bericht als „Regionen“ bezeichnet.
Hinsichtlich der Armutsreduzierung kommt Kenia gut voran, sodass die Armutsquote mittlerweile unter dem Durchschnitt Subsahara-Afrikas liegt. Im Jahr 2015 wies Kenia eine geschätzte Armutsquote von 36,8 Prozent auf – 43,7 Prozent waren es noch im Jahr 2005 (World Bank 2018a). Das Bruttoinlandsprodukt des ostafrikanischen Landes war zwischen 2007 und 2017 um durchschnittlich 2,4 Prozent auf 1.508 US-Dollar gewachsen, womit es im unteren Bereich des mittleren Einkommensniveaus liegt (World Bank 2018a).
Doch das schnelle Bevölkerungswachstum des Landes führte zwischen 2005 und 2015 zu einem Anstieg der absoluten Zahl der in Armut lebenden Menschen. überdies wird Kenias Armutsquote weniger vom Wirtschaftswachstum beeinflusst als jene in Ländern mit einer vergleichbaren Situation, was auf die Notwendigkeit eines stärkeren integrativen Wachstums in der Zukunft hinweist (World Bank 2018b).
Land-, Fischerei- und Forstwirtschaft sind wichtige Sektoren in der kenianischen Wirtschaft. 2017 lag ihr Anteil an der Gesamtbeschäftigung bei 38 Prozent und sie machten 32 Prozent des BIP aus. Zudem trug das Wachstum im Agrarsektor am stärksten zur Armutsminderung bei (World Bank 2018b). Dienstleistungs- und Industriesektor machen 45 Prozent der Gesamtbeschäftigung sowie 18 Prozent des BIP aus (World Bank 2018a). Kenias Bäuerinnen und Bauern stehen jedoch gegenwärtig vor einer großen Herausforderung, weil sich ihre durchschnittliche Anbaufläche durch das rasche Bevölkerungswachstum verringert (FAO 2018b).
Extreme Wetterereignisse ziehen für die kenianische Bevölkerung ebenfalls große Schwierigkeiten nach sich. Mehr als 80 Prozent von Kenias Fläche gilt als arid oder semiarid. Zugleich sind 95 Prozent der Nutzpflanzen von Regenfeldbau abhängig, was Bäuerinnen und Bauern anfällig für die Auswirkungen von Dürren macht (REGLAP 2012; WFP 2018; Welborn 2018). Binnen- und grenzüberschreitende Vertreibungen– teilweise verursacht durch Dürre und Konflikte um natürliche Ressourcen – sind in Kenia weit verbreitet und stellen für die betroffene Bevölkerung eine zusätzliche Gefahr dar (UN OCHA 2017). Zudem bringen überschwemmungen Probleme mit sich: Allein in der ersten Jahreshälfte 2018 wurden mehr als 300.000 Menschen durch überschwemmungen, die zugleich Schäden bei Ackerland und Vieh verursachten, vertrieben (IDMC 2018; Relief Web 2018).
Hunger und Unterernährung variieren stark zwischen den einzelnen Regionen und Counties
Die WHI-Werte für jedes Land werden auf Basis der folgenden vier Indikatoren ermittelt:
- UNTERERNäHRUNG: der prozentuale Anteil der Unterernährten an der Bevölkerung (Indikator für den Anteil der Menschen, die ihren Kalorienbedarf nicht decken können);
- AUSZEHRUNG BEI KINDERN: der Anteil von Kindern unter 5 Jahren, die an Auszehrung leiden (damit ist ein zu niedriges Gewicht in Bezug auf die jeweilige Größe gemeint, ein Beleg für akute Unterernährung);
- WACHSTUMSVERZöGERUNG BEI KINDERN: der Anteil von Kindern unter fünf Jahren, die wachstumsverzögert sind (damit ist eine zu geringe Körpergröße in Bezug auf auf das jeweilige Alter gemeint, ein Beleg für chronische Unterernährung);
- KINDERSTERBLICHKEIT: die Sterblichkeitsrate von Kindern unter fünf Jahren (ein Indikator, der zum Teil das fatale Zusammenwirken von mangelnder Nährstoffversorgung und einem ungesunden Umfeld widerspiegelt).
ABBILDUNG 2: KENIAS WELTHUNGER-INDEX-WERTE UND INDIKATORWERTE 2000, 2005, 2010 UND 2018
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Quelle: die AutorInnen
Anmerkung: Die Unterernährungswerte beziehen sich auf die Verbreitung von Unterernährung in der Gesamtbevölkerung des Landes; Wachstumsverzögerung, Auszehrung und Kindersterblichkeit
beziehen sich jeweils auf die Indikatorwerte für Kinder unter fünf Jahren. Die Daten für die WHI-Werte, zur Wachstumsverzögerung bei Kindern und Auszehrung bei Kindern stammen aus den Perioden 1998 bis 2002 (2000), 2003 bis 2007 (2005), 2008 bis 2012 (2010) und 2013 bis 2017 (2018). Das Datenmaterial zur Unterernährung wurde in den Zeiträumen 1999 bis 2001 (2000), 2004 bis 2006 (2005), 2009 bis 2011 (2010) und 2015 bis 2017 (2018) erfasst. Die Daten zur Kindersterblichkeit stammen aus den Jahren 2000, 2005, 2010 und 2016 (2018). Informationen zur Berechnung der WHI-Werte finden Sie in Anhang A des WHI-Berichts 2018, jene zu den Quellen, anhand derer die Daten zusammengestellt wurden, in Anhang B.
Im Welthunger-Index (WHI) 2018 liegt der Wert für Kenia bei 23,2 und damit am unteren Ende der Schweregradstufe ernst. Dies stellt allerdings eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Jahr 2000 dar, als der Wert bei 36,5 lag und als sehr ernst eingestuft wurde. Kenia hat 2018 den niedrigsten WHI-Wert von allen Ländern Ostafrikas, mit Ausnahme der kleinen Inselnation Mauritius, des einzigen Landes, das im oberen Bereich des mittleren Einkommensniveaus in der Region angesiedelt ist.
Auf nationaler Ebene wird seit dem Jahr 2000 ein Rückgang aller WHI-Indikatorwerte verzeichnet (Abbildung 2). Die Sterblichkeitsrate kenianischer Kinder unter fünf Jahren ist seit 2000 kontinuierlich gesunken (UN IGME 2017). Die Unterernährungsrate Kenias, die den Anteil der Bevölkerung ohne ausreichende Kalorienzufuhr widerspiegelt, ist zwar zwischen 2001/2003 und 2013/2015 stetig zurückgegangen, seitdem aber angestiegen (FAO 2018b). Diese Zunahme fällt mit der Dürre zwischen 2016 und 2017 zusammen, unter der Kenia und seine Nachbarländer zu leiden hatten, und die zu einem Rückgang der Agrarproduktion sowie einem Anstieg der Nahrungsmittelpreise führte (FEWSNET 2017a, 2017b). Ebenfalls deutlich zurückgegangen sind Wachstumsverzögerung und Auszehrung bei kenianischen Kindern. War zwischen 2008/2009 noch jedes dritte Kind (35,2 Prozent) unter 5 Jahren wachstumsverzögert und 7,0 Prozent ausgezehrt, ist der Anteil 2014 auf ein Viertel (26 Prozent) bzw. auf 4,0 Prozent gefallen (KNBS and ICF Macro 2010; KNBS et al. 2015).
Die Werte zwischen einzelnen Regionen und Counties variieren jedoch beträchtlich und liegen teilweise noch immer deutlich über dem nationalen Durchschnitt. Die höchsten Wachstumsverzögerungsraten wurden im Kitui County mit 45,8 Prozent und im West-Pokot County mit 45,9 Prozent festgestellt (KNBS et al. 2015). Obwohl in diesen Counties eine hohe Armutsrate zu verzeichnen ist (48 bzw. 57 Prozent, basierend auf nationalen Armutsgrenzen), steht Wachstumsverzögerung in Kenia nicht in direktem Zusammenhang mit der Armutsquote. Vielmehr wird sie durch eine Reihe komplexer Faktoren beeinflusst, wie z. B. durch Ernährungsvielfalt, Ernährungs- und Fürsogepraktiken für Säuglinge und Kleinkinder, Zugang zu angemessenen Sanitäranlagen sowie durch Krankheiten (KNBS 2018; Eberwein et al. 2016). Die Auszehrungsraten sind in den nördlichsten Counties Kenias am höchsten: So sind es 22,9 Prozent in Turkana, 16,3 Prozent in Marsabit, 14,8 Prozent in Mandera, 14,3 Prozent in West-Pokot und 14,2 Prozent in Wajir (KNBS et al. 2015). Die Counties, in denen Pastoralismus weit verbreitet ist, sind arid oder semiarid und weisen hohe Armutsraten auf (Krätli and Swift 2014; KNBS and SID 2013). Darüber hinaus ist die Verwendung von Verhütungsmitteln wenig verbreitet und der Bildungsstand der Frauen in diesen Counties niedrig, die Fruchtbarkeitsraten hingegen hoch (KNBS et al. 2015).
Der Ernährungszustand von Kindern ist eng mit der Bildungs- und Alphabetisierungsrate der Mütter verknüpft, was in Kenia besonders deutlich wird (Ruel, Alderman, and Maternal and Child Nutrition Study Group 2013). Eine in den informellen Siedlungen von Nairobi durchgeführte Studie lässt darauf schließen, dass die Bildung von Müttern den Ernährungszustand der Kinder stark vorherbestimmt, selbst wenn andere sozioökonomische und demografische Faktoren berücksichtigt werden (Abuya, Ciera, and Kimani-Murage 2012). Neueste Daten aus Kenia zeigen, dass Wachstumsverzögerung bei Kindern, deren Mütter keine formale Bildung erhalten haben, 31 Prozent betrug, während sie sich bei Kindern, deren Mütter mindestens einen Sekundarschulabschluss vorweisen konnten, nur auf 17 Prozent belief (KNBS et al. 2015). Die Ernährung von Kindern ist ferner eng mit dem Ernährungszustand der Mütter verknüpft. Eine im ländlichen Kenia vorgenommene Studie zeigte einen positiven Zusammenhang zwischen der Ernährung von Müttern und dem Ernährungszustand der Kinder in Bezug auf anthropometrische Maße (Gewa, Ottugu, and Yandell 2012).
Da Kenia Anstrengungen unternimmt, die Unterernährung von Kindern weiter zu reduzieren und die Situation in den Counties mit anhaltenden Schwierigkeiten zu verbessern, ist es entscheidend, die Ernährungspraktiken für Säuglinge und Kleinkinder anzugehen. Die Stillpraktiken haben sich in Kenia deutlich verbessert: So wurden 2014 61 Prozent der Kinder unter sechs Monaten ausschließlich gestillt, gegenüber nur 32 Prozent in den Jahren 2008/2009 (KNBS et al. 2015; KNBS and ICF Macro 2010). Zugleich erhielten 2014 lediglich 22 Prozent der Kinder im Alter zwischen sechs und 23 Monaten eine „angemessene Mindesternährung“ (KNBS et al. 2015).
Die meisten Studien zur Ernährungssicherheit in Kenia haben sich traditionell auf ländliche Gebiete konzentriert, in denen die Unterernährung bei Kindern tendenziell höher ist als in städtischen Gebieten. Gleichwohl wird die Einwohnerschaft immer urbaner, sodass Ernährungsunsicherheit und Unterernährung in Städten zunehmend Anlass zur Sorge bereiten (KNBS et al. 2015; WFP 2010; Concern Worldwide 2017). Stark gestiegene Nahrungsmittelpreise bedeuten für StadtbewohnerInnen eine Gefahr, weil so der Zugang zu Nahrungsmitteln erschwert wird. Außerdem sind städtische Bevölkerungsgruppen anfällig für Krankheiten und haben möglicherweise keinen ausreichenden Zugang zu sauberem Wasser sowie zu Sanitär- und Hygieneeinrichtungen (WFP 2010; Concern Worldwide 2017). überdies ging die Kindersterblichkeit zwischen 1993 und 2008 in Kenias Städten viel langsamer zurück als auf dem Land; möglicherweise wegen der miserablen Lebensbedingungen in städtischen Siedlungsgebieten (Kimani-Murage et al. 2014). Im Jahr 2014 verzeichnete Nairobi die zweithöchste Kindersterblichkeitsrate aller kenianischen Regionen (Tabelle 1).
Wie Hunger zurückgedrängt wurde
Tabelle 1
WHI-INDIKATORWERTE NACH REGION, KENIA
Region | Wachstumsverzögerung bei Kindern (%) | Auszehrung bei Kindern (%) | Kindersterblichkeit (%) |
---|---|---|---|
Coast | 30.8 | 4.5 | 5.7 |
North Eastern | 24.7 | 13.3 | 4.4 |
Eastern | 30.1 | 4.4 | 4.5 |
Central | 18.4 | 2.3 | 4.2 |
Rift Valley | 29.8 | 5.7 | 4.5 |
Western | 25.2 | 1.9 | 6.4 |
Nyanza | 22.7 | 2.0 | 8.2 |
Nairobi | 17.2 | 2.5 | 7.2 |
Gesamt | 26.0 | 4.0 | 5.2 |
Quelle: KNBS et al. (2015); siehe S. 162: Wachstumsverzögerungs- und Auszehrungsraten je County Anmerkung: Alle Indikatoren gelten für Kinder von null bis fünf Jahren. Unterernährungswerte auf subnationaler Ebene sind für Kenia derzeit nicht verfügbar. Die Schätzwerte zur landesweiten Kindersterblichkeit hier und in Abbildung 2 unterscheiden sich, weil hierin Daten von KNBS et al. (2015) für 2014 aufgeführt werden, die subnationale Werte enthalten, während die in Abbildung 2 genannten Daten von 2016 von UN IGME (2017) stammen und zur Berechnung der WHI-Werte 2018 verwendet werden. |
Der Landwirtschaft wird ein erhebliches Potenzial bei der Verbesserung der Ernährungssicherheit der Haushalte zugeschrieben. Obwohl wissenschaftliche Erkenntnisse über die Wirksamkeit landwirtschaftlicher Technologien begrenzt sind (Kabunga, Dubois, and Qaim 2014), weisen einige Studien vielversprechende Ergebnisse in Kenia auf. Ein Programm in Westkenia zur Förderung der Produktion von orangefleischigen Süßkartoffeln mit hohem Vitamin-A-Gehalt führte in Kombination mit Ernährungsbildung und -beratung zu einem erhöhten Konsum von Vitamin-A-reichen Nahrungsmitteln (Hagenimana et al. 2001). Eine in den Regionen Central und Eastern durchgeführte Studie offenbarte, dass „Bananen Gewebekultur“, eine Vermehrungsmethode, bei der die übertragung von Schädlingen und Krankheiten auf Bananenpflanzen eingeschränkt wird, die Ernährungssicherheit der Haushalte gemäß der Household Food Insecurity Access Scale (Methode zur Bestimmung der Ernährungsunsicherheit von Haushalten) erhöhte (Kabunga, Dubois, and Qaim 2014). Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, die ihre Erzeugnisse an Supermärkte verkauften, nahmen mehr Kalorien und Mikronährstoffe zu sich als andere Bäuerinnen und Bauern, was auf ein gesteigertes Einkommen und eine größere Produktion sowie auf einen stärkeren Verzehr von Gemüse zurückzuführen ist (Chege, Anderson, and Qaim 2015). Ein Projekt zur Förderung von Techniken zur Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit vermehrte die Ernteerträge und damit die Ernährungssicherheit der Teilnehmenden. Dies wurde, verglichen mit einer Kontrollgruppe, anhand der höheren Anzahl von Monaten nachgewiesen, in denen Nahrungsmittel gelagert wurden (Wanyama et al. 2010).
Kleinbäuerliche Milchwirtschaft und Pastoralismus spielen in Kenia eine wichtige Rolle, was erhebliche Auswirkungen auf die Ernährung hat. Etwa ein Viertel der kenianischen Haushalte betreibt eine kleinbäuerliche Milcherzeugung. Eine detaillierte Studie über Pastoralismus in Kenias vier nördlichen, ariden Counties Mandera, Marsabit, Turkana und Wajir zeigte, dass Viehhaltung für 57 Prozent der Haushalte in diesen Counties die Hauptquelle für den Lebensunterhalt darstellt (Njuki et al. 2016; Krätli and Swift 2014). Für pastorale Haushalte in Kenia ist Viehbesitz eng mit Milchkonsum verbunden, was bedeutet, dass mit dem Rückgang von Viehbeständen auch der Verzehr von Milch abnimmt. Auf Haushaltsebene besteht ein positiver Zusammenhang zwischen Milchkonsum und einem höheren Body-Mass-Indexwerten (Iannotti and Lesorogol 2014). Der Verzehr von tierischen Nahrungsmitteln hat bei kenianischen Schulkindern erwiesenermaßen zu einer Größen- und Gewichtszunahme geführt (Grillenberger et al. 2006). Ein Schulspeisungsprogramm, mit dem die Wirkung verschiedener Speisen auf Kinder untersucht wurde, ergab, dass fleisch- und milchhaltige Speisen am stärksten zum Wachstum der Armmuskulatur der Kinder beitrugen (Neumann et al. 2013).
Anfang der 2000er-Jahre wurde die kenianische Milchpolitik neu ausgerichtet, um den Bedürfnissen und Interessen der KleinerzeugerInnen gerecht zu werden (Kaitibie et al. 2010). Mit dem „Smallholder Dairy Commercialization Program“ wurden Schulungen angeboten, um kleinen Milchbetrieben zu helfen, ihre Kompetenzen hinsichtlich Produktivität und Vermarktung zu verbessern. Die Ernährungssicherheit der teilnehmenden Haushalte war nach Ende des Programms höher als jene der Haushalte der Kontrollgruppe: So konsumierten die Menschen der ersten Haushalte mehr Nahrungsmittel, die reich an Mikronährstoffen und Proteinen waren, wie beispielsweise rotes Fleisch, Milch und Milchprodukte sowie Hülsenfrüchte (Bonilla et al. 2018). Gleichwohl muss hier genau hingeschaut werden, denn in Haushalten mit krankem Viehbestand fiel das Kindeswachstum geringer aus als in Haushalten mit gesundem Viehbestand. Dieser Umstand deutet darauf hin, dass Viehbestand in manchen Fällen sowohl positive als auch negative Auswirkungen hat (Mosites et al. 2016).
In Kenia gibt es eine Reihe von Cash-Transfer-Programmen, die in Entwicklungsländern immer häufiger durchgeführt werden, und deren positive Wirkungen auf die Ernährungssicherheit belegt sind. Das bedingungslose Cash-Transfer-Programm „Cash Transfer for Orphans and Vulnerable Children“ (CT-OVC) führte bei den begünstigten Haushalten zu höheren Nahrungsmittelausgaben, größerer Ernährungsvielfalt (Ward et al. 2010) sowie zu einem gestiegenen Verzehr selbst erzeugter Nahrungsmittel (Asfaw et al. 2014). Das bedingungslose Cash-Transfer-Programm der NRO GiveDirectly in ländlichen Gebieten Kenias bewirkte ebenfalls eine Steigerung der Ernährungssicherheit und Lebensmittelausgaben der Haushalte, insbesondere wenn die Transfers monatlich und nicht pauschal erfolgten (Haushofer and Shapiro 2016). Kenias „Hunger Safety Net“-Programm, ein weiteres bedingungsloses Cash-Transfer-Programm, bewirkte einen Anstieg der Nahrungszufuhr bei den Begünstigten im Vergleich zu den Kontrollgruppen und erhöhte die Ernährungsvielfalt in den beteiligten ärmeren Haushalten (Merttens et al. 2013; OPM and IDS 2012). Ernährungsbildung kann ebenfalls dazu beitragen, die Ernährungsqualität für Kinder und Erwachsene in Kenia zu verbessern. Im Rahmen eines Pilotprojekts in Westkenia wurde gezeigt, dass Ernährungsbildung für Väter und Großmütter zu geeigneter Beikost für Kleinkinder die soziale Unterstützung für Mütter stärkt und die Ernährungspraktiken für Kinder verbessert (Mukuria et al. 2016).
Maßnahmen der Politik zur Ernährungssicherung
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Kenias Verfassung von 2010 besagt, dass jeder Mensch ein Recht darauf hat, nicht hungern zu müssen und über ausreichend Nahrungsmittel hinlänglicher Qualität zu verfügen (GoK 2010b).
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Eine der „Big Four“ Prioritäten von Präsident Uhuru Kenyattabesteht darin, bis 2022 Ernährungssicherheit zu erreichen, unter anderem durch die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität und Schulung von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in neuen Anbaumethoden (GoK 2018).
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Mit der nationalen „Food and Nutrition Security Policy“ (FNSP, 2011) wurde Ernährung in die nationale Strategie für Ernährungssicherung integriert. Darin wurden alle erforderlichen Maßnahmen zur Erreichung einer hinlänglichen und nachhaltigen Nahrungsmittelproduktion beschrieben (Mugambi, Volege,and Gihochi 2017).
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Der „National Nutrition Action Plan 2012–2017“ diente dazu, die in der „Food and Nutrition Security Policy“ erarbeiteten Strategien zur Ernährungssicherung umzusetzen. Dieser nationale Aktionsplan zur Ernährung enthält Leitlinien für die Koordinierung von Ernährungsinterventionen, die von der Regierung und anderen Stakeholdern aus dem Bereich Ernährung durchgeführt wurden (GoK 2012). Der Plan wird derzeit überarbeitet.
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Das Nutrition Inter-Agency Coordinating Committee, ein Netzwerk aus Regierungsministerien (Gesundheit, Bildung, Landwirtschaft, Planung sowie Arbeit), Organisationen der Vereinten Nationen, der Zivilgesellschaft, akademischen und forschenden Einrichtungen, dem Privatsektor ebenso wie multilateralen und bilateralen Gebern, gewährleistet die Koordinierung der ernährungsspezifischen Aktivitäten (Samburu, Volege, and Gitau 2015).
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Das Gesetz „Breast Milk Substitute Act“ von 2012, die „Baby Friendly Hospital Initiative“ sowie die „Baby Friendly Community Initiative“ dienen der Förderung des Stillens in Kenia (SUN 2012; APHRC 2014).
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In der „Agricultural Sector Development Strategy“ (ASDS, 2010– 2020) wird verkündet, dass der Agrarsektor zur Vision „einer ernährungssicheren und wohlhabenden Nation“ beitragen soll. Das Thema Ernährung wird zwar in dieser Entwicklungsstrategie des Agrarsektors erwähnt, steht allerdings nicht in ihrem Fokus (GoK 2010a).
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Im Sitzungsbericht Nr. 8 der „National Policy for the Sustainable Development of Northern Kenya and other Arid Lands“ (bekannt als ASAL-Strategie) aus dem Jahr 2012 wurde der politische Rahmen für die Entwicklung von Kenias ariden und semiariden Gebieten (ASAL) festgelegt, die in hohem Maße von Armut, Ernährungsunsicherheit und Unterernährung betroffen sind (IIED 2013).
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Das Gesetz „Climate Change Act“ von 2016, der „Kenya National Adaptation Plan 2015–2030“ ebenso wie das „Ending Drought Emergencies“-Programm enthalten Strategien zur Anpassung an den Klimawandel, zur Unterstützung nachhaltiger Existenzgrundlagen in dürregefährdeten Gebieten und zum Aufbau von Resilienz (WFP 2018).
Empfehlungen für größere Fortschritte im Kampf gegen Hunger und Unterernährung
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Strategien und Programme priorisieren, die die Produktivität und Ernährungssicherheit ebenso wie die Resilienz von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern sowie PastoralistInnen steigern. Angesichts des großen Teils der Bevölkerung, der von Pastoralismus und Regenfeldbau lebt, sowie der Gefährdung dieser Gruppen aufgrund des Klimawandels und von Dürren, werden solche Maßnahmen für Kenias Zukunft immer wichtiger.
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Die Förderung der Bildung von Frauen und Mädchen fortsetzen, insbesondere in den von Pastoralismus geprägten Gebieten, welche durch eine niedrige Bildungsquote bei Frauen und eine hohe Auszehrungsrate bei Kindern gekennzeichnet sind. Es hat sich gezeigt, dass sich eine höhere Bildungsquote bei Frauen positiv auf die Kinderernährung auswirkt
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Den Bereich Wasser, Sanitärversorgung, Hygiene (WASH) nachhaltig fördern; dazu zählt auch die Umsetzung der WASH-Strategie „Kenya Environmental Sanitation and Hygiene Policy 2016– 2030“. Ländliche Gebiete und informelle Siedlungen weisen im Vergleich zu offiziell geplanten urbanen Gebieten das niedrigste Niveau an angemessener Sanitärversorgung auf (GoK 2016). Unzureichende WASH-Einrichtungen und -Praktiken haben negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und Ernährung zur Folge.
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Erzeugung, Vertrieb und Konsum von nahrhaften Nutzpflanzen, wie etwa Vitamin-A reiche orangefleischige Süßkartoffeln, durch politische und Schulungsmaßnahmen proaktiv fördern und gewährleisten, dass Haushalte mit niedrigem Einkommen Zugang zu diesen Produkten haben.
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Sicherstellen, dass Ernährungssicherheit auf nationaler wie regionaler Ebene Vorrang erhält, vor allem angesichts der entscheidenden Rolle, die die Regierungen in den Counties in Kenias dezentraler Verwaltungsstruktur spielen. Beschlüsse hinsichtlich Ernährungssicherheit sollten sich an den Daten orientieren, die auf der Ebene der Counties vorliegen (siehe KNBS et al. 2015).
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Die Gesetzesvorlage von 2017 namens „Food Security Bill“ ebenso wie der Nationale Aktionsplan zur Ernährung, der „National Nutrition Action Plan 2018–2022“, werden noch immer debattiert und ihre Verabschiedung steht aus (GoK 2017; SUN 2017). Diese Bestimmungen sollten beschlossen und umgesetzt werden, um sicherzustellen, Ernährungssicherheit in Kenia Priorität genießt.
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Der Gesetzesvorschlag „Breastfeeding Mothers Bill“ von 2017, der darauf abzielt, das Recht von Müttern auf Stillen am Arbeitsplatz und an öffentlichen Orten zu garantieren, wurde vom Präsidenten noch nicht in Kraft gesetzt. Die Gesetzesvorlage sollte unterzeichnet werden, um das Stillen in Kenia weiterhin zu fördern, da Stillen ein entscheidender Faktor der Kinderernährung ist.
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Kapazitäten der Gemeinden mit Blick auf künftige Ernährungskrisen durch Bereitstellung von Personal, Schulungen und Ressourcen für ein gemeindebasiertes Management akuter Mangelernährung (CMAM) aufbauen.
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Innovative Programme unterstützen, wie z. B. das Surge-Modell, in dem Ernährungsschwellen zur Auslösung einer Notfall- Ernährungshilfe festgelegt sind, oder das Integrierte Management akuter Mangelernährung (IMAM-Modell), das Hilfsleistungen von lokalen, internationalen und religiösen Organisationen zur Bewältigung von Ernährungskrisen vereint (Concern Worldwide 2013; Wambani 2012; USAID 2017).
Fußnoten
- Die hier genannten Armutsquoten beziehen sich auf die internationale Armutsgrenze von 1,90 US-Dollar pro Tag und Kopf (Kaufkraftparität 2011).
- Weltweit ist Unterernährung die Ursache für fast die Hälfte aller Todesfälle bei Kindern unter fünf Jahren (Black et al. 2013).
- Zur Berechnung der WHI-Werte 2010 wurden Daten aus dem Zeitraum 2008 bis 2012 verwendet, während die WHI-Werte 2018 auf Daten aus der Periode 2013 bis 2017 basieren. Weitere Details finden sich in Anhang B des WHI-Berichts 2018.
- Das Bildungsniveau der Frauen in West-Pokot ist zwar niedrig – 34 Prozent der Frauen haben keine Schulbildung vorzuweisen –, gleichwohl erweist sich die Situation als nicht so extrem wie in den anderen hier genannten Counties, in denen 62 bis 77 Prozent der Frauen keine Schulbildung erhalten haben (KNBS et al. 2015).
- Eine „angemessene Mindesternährung“ ist ein Standard, der das Minimum bezüglich Ernährungsvielfalt und Mahlzeitenhäufigkeit vorgibt und unterschiedliche Empfehlungen für gestillte und nicht gestillte Kinder enthält, die Milch oder Milchprodukte als Ersatz für Muttermilch benötigen.
Autorinnen:
Jill Bernstein und Doris Wiesmann