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Demokratische Republik Kongo

 

Eine eingehendere Betrachtung von Hunger und Unterernährung


 
   
Oktober 2020
Foto: Welthungerhilfe/Kai Loeffelbein 2018; Im Anschluss an einen Workshop über neue Methoden im Gemüseanbau in der Provinz Nord-Kivu, Demokratische Republik Kongo, kochen und essen die Teilnehmenden gemeinsam. Mit verbesserten Anbaumethoden können die Kleinbäuerinnen und -bauern ihr Einkommen steigern und ihren Zugang zu einer ausgewogeneren und vielfältigeren Ernährung verbessern. Ausblenden
KARTE DER DR KONGO

Map of DRC Anmerkung: Die DR Kongo ist in 26 Provinzen unterteilt, darunter die Stadt-Provinz Kinshasa, die Hauptstadt des Landes. Die auf den Karten dieser Publikation abgebildeten Grenzen, Namen und Bezeichnungen stellen keine offizielle Stellungnahme oder Anerkennung vonseiten der Welthungerhilfe oder Concern Worldwide dar.

 

ABBILDUNG 3.2: WHI-INDIKATORWERTE DER DR KONGO 2000, 2006, 2012 UND 2020


WHI-Indikatorwerte Der DR Kongo 2000, 2006, 2012 und 2020

Quelle: die Autor*innen, auf Grundlage der in Anhang C aufgeführten Datenquellen.
Anmerkung: Wachstumsverzögerung, Auszehrung und Kindersterblichkeit beziehen sich jeweils auf die Indikatorwerte für Kinder unter fünf Jahren. Die Daten für Wachstumsverzögerung und Auszehrung bei Kindern stammen aus den Perioden 1998 bis 2002 (2000), 2004 bis 2008 (2006), 2010 bis 2014 (2012) und 2015 bis 2019 (2020). Die Daten zur Kindersterblichkeit wurden in den Jahren 2000, 2006, 2012 und 2018 (2020) erhoben. Daten für den vierten Indikator – Unterernährung – sind nicht verfügbar.

Kernbotschaften

  • Für die Demokratische Republik Kongo (DR Kongo) konnte aufgrund unvollständiger Daten kein WHI-Wert berechnet werden, dennoch wird die Hungersituation vorläufig als sehr ernst eingestuft. Das Land erlebte 2019 die zweitschwerste Ernährungskrise der Welt. Kindersterblichkeit und Wachstumsverzögerung bei Kindern sind hoch. Auszehrung bei Kindern ist dagegen seit 2001 deutlich zurückgegangen.

  • Mit 72 Prozent lebt ein extrem hoher Bevölkerungsanteil in Armut.

  • Anhaltende Gewalt und eine schlechte Sicherheitslage tragen zu fortwährender Instabilität sowie massiver Vertreibung bei und bedrohen sowohl Existenzgrundlagen als auch die Ernährungssicherheit.

  • Mehrere Gesundheitskrisen – darunter schwere Ausbrüche von Ebola, Masern, Cholera und jetzt die Covid-19-Pandemie – gefährden Gesundheit, Ernährungssicherheit und wirtschaftlichen Wohlstand. Der Zugang zu sauberem Wasser, Sanitär- und Hygieneeinrichtungen ist extrem eingeschränkt.

  • Zu den wirksamen Interventionen gehören Gruppenschulungen für Kleinbäuerinnen und -bauern sowie Fürsorgegruppen, die Ernährungsbildung, Kompetenzaufbau und Nahrungsmittelrationen für Frauen und Kinder anbieten.

  • Fortschritte bei der Ernährungssicherheit hängen von der Verbesserung der Sicherheitslage, dem Aufbau staatlicher Kapazitäten und der Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion und Produktivität ab, sowie von der Reform der Wasser- und Sanitärversorgung und einer Stärkung der Ernährungsbildung und reproduktiven Gesundheitsversorgung.


M it einer riesigen Fläche, einer großen Bevölkerung und enormen Rohstoffvorkommen verfügt die DR Kongo über immenses wirtschaftliches Potenzial, aber in den letzten Jahren behinderten Kriege und wiederkehrende Konflikte die Entwicklung.

Das flächenmäßig größte Land Afrikas südlich der Sahara hat mit 84 Millionen Einwohner*innen die drittgrößte Bevölkerung in der Region (World Bank 2020a). Es verfügt über beträchtliche Mineralvorkommen, insbesondere im Süden und Osten des Landes (Geenen und Marysse 2016). Doch die brutale Ausbeutung während der Kolonialzeit und des späteren Autoritarismus sowie politische Krisen und Kriege haben dazu geführt, dass die Regierung instabil ist und der Staat nur sehr begrenzt soziale und wirtschaftliche Leistungen erbringen kann. Ferner wird die Wirksamkeit staatlicher Dienstleistungen und Investitionen durch weitverbreitete Korruption beeinträchtigt (Bak et al. 2019). Obwohl es 2019 erstmals einen friedlichen Präsidentschaftswechsel gab, steht die DR Kongo noch immer vor großen Herausforderungen (IFAD 2019). Mehr als 100 bewaffnete Gruppen üben anhaltend Gewalt aus, insbesondere in den östlichen Provinzen Nord-Kivu, Sud-Kivu und Ituri (ICG 2019). Diese Gewalt hat zu massiver Vertreibung geführt: Ende 2019 wurden 5,5 Millionen Binnenvertriebene gezählt – mehr als in jedem anderen Land Afrikas – und Stand Februar 2020 waren fast eine Million Menschen in die Nachbarländer geflohen. Darüber hinaus lebten im Januar 2020 mehr als eine halbe Million Vertriebene aus anderen Ländern in der DR Kongo (IDMC 2020; UNHCR 2020a).

Extreme Armut ist weitverbreitet. Während 2004 91,1 Prozent der Bevölkerung in Armut lebten, waren es aktuellsten offiziellen Statistiken zufolge 2012 76,6 Prozent (World Bank 2020a). Hochrechnungen zufolge sank dieser Anteil bis 2018 geringfügig auf 72 Prozent, bleibt aber außergewöhnlich hoch (World Bank 2019b). 2018 lag das Bruttoinlandsprodukt (BIP) gemäß aktuellem Kurswert bei nur 562 US-Dollar pro Kopf. Das ist das zehntniedrigste Pro-Kopf-BIP aller Länder mit verfügbaren Daten. Armut ist besonders in den nordwestlichen und zentralen Provinzen des Landes stark ausgeprägt (World Bank 2017). Seit 2010 ist das Pro-Kopf-BIP durchschnittlich um jährlich drei Prozent gewachsen (World Bank 2020a), wobei die Covid-19-Pandemie und ihre wirtschaftlichen Auswirkungen diese Fortschritte gefährden dürften. Im Index der menschlichen Entwicklung (Human Development Index) rangiert die DR Kongo auf Platz 179 von 189 Ländern (UNDP 2019).

Die Mehrheit der Bevölkerung ist im Agrarsektor beschäftigt, doch die Industrie – angeführt vom Bergbau – trägt am meisten zum BIP bei. 2019 waren 68 Prozent der Beschäftigten in der Landwirtschaft, 21 Prozent im Dienstleistungssektor und 11 Prozent in der Industrie tätig. Die Landwirtschaft trägt nur 19 Prozent zum BIP bei, Dienstleistungen dagegen 33 Prozent und die Industrie 44 Prozent (World Bank 2020a). Konflikte und Instabilität stellen den Agrarsektor vor große Probleme, da Kleinbäuerinnen und -bauern immer wieder von ihrem Land vertrieben werden und infolgedessen die nötigen finanziellen Mittel für Saatgut, Dünger und andere Betriebsmittel verlieren. überschwemmungen, Erdrutsche und Bodenerosion beeinträchtigen die landwirtschaftliche Produktion ebenfalls und dürften, aufgrund des Klimawandels, in Zukunft weiter zunehmen (FAO 2018a; USAID 2018b). Wegen des begrenzten Zugangs der Landwirt*innen zu modernen Techniken und Betriebsmitteln ist die landwirtschaftliche Produktivität gering im Vergleich zum Durchschnitt Afrikas südlich der Sahara (World Bank 2019a). Bankdienstleistungen sind nur äußerst begrenzt verfügbar, insbesondere im ländlichen Raum, und selten besitzen Bäuerinnen und Bauern Landtitel, die als Sicherheiten für Kredite genutzt werden können (Marivoet et al. 2018).

Gesundheitskrisen bedrohen das Wohlergehen der Bevölkerung, schwächen das Wirtschaftswachstum und verschärfen in manchen Fällen die Ernährungsunsicherheit. Seit 1976 hat es in der DR Kongo elf Ebola-Ausbrüche gegeben. Im Juni 2020 wurde ein neuer Ausbruch in der Provinz Équateur registriert, während der bisher größte, von dem vornehmlich die Provinz Nord-Kivu betroffen war, für beendet erklärt wurde. Seit Mai 2018 kam es zu über 3.400 Infektions- und mehr als 2.200 Todesfällen in den Provinzen Nord-Kivu, Sud-Kivu und Ituri (WHO 2020a; MSF 2020). Die Bekämpfung des Ebola-Ausbruchs hat enorme öffentliche Ressourcen gefordert und die Lebensgrundlagen und Ernährungssicherheit vieler Menschen in den betroffenen Gebieten erheblich beeinträchtigt. Die Covid-19-Pandemie könnte die Ernährungssicherheit noch stärker bedrohen, entweder durch die unmittelbaren Auswirkungen der Krankheit oder als Folge der zu erwartenden Rezession. Infolge einer massiven, seit 2018 andauernden Masern-Epidemie haben sich mehr als 300.000 Personen infiziert, von denen im Jahr 2019 nachweislich 6.045 daran verstarben, darunter besonders viele Kinder. Masern erhöhen bei Kindern das Risiko für akute Fehlernährung, die wiederum die Schwere und Dauer der Masernerkrankung verstärkt (Ducomble und Gignoux 2020; Holzmann et al. 2016). überdies sind 23 der 26 Provinzen mit einer Cholera-Epidemie konfrontiert, die allein im Jahr 2019 zu über 30.000 Infektions- und 500 Todesfällen geführt hat (Solidarités International 2020).

Hunger in der DR Kongo

Foto: Kai Loeffelbein /Welthungerhilfe 2018; Straßenszene in der Demokratischen Republik Kongo: Mann mit Kind transportiert Säcke auf einem Fahrrad. Ausblenden

Tabelle 3.1

WHI-INDIKATORWERTE FüR DIE DR KONGO NACH PROVINZ

Provinz Wachstumsverzögerung bei Kindern (%) Auszehrung bei Kindern (%) Kindersterblichkeit (%)
Kinshasa 15,6 5,5 6
Kongo Central 35,2 9,7 7,7
Kwango 54,6 9,3 3
Kwilu 47 10,9 7,1
Mai-Ndombe 38,8 9,3 6,6
Équateur 35 7,6 4,3
Sud-Ubangi 44,9 4,6 10,1
Nord-Ubangi 42,4 13,5 5,3
Mongala 47,5 8,5 3,6
Tshuapa 45,3 10,6 10,1
Tshopo 43,9 4,3 6
Bas-Uélé 47,5 4,1 4,2
Haut-Uélé 35,2 10 5,4
Ituri 47,1 11,2 4,4
Nord-Kivu 49,6 4,6 2,6
Sud-Kivu 48 2,6 3,8
Maniema 44,2 4 9,1
Haut-Katanga 40 5 9,8
Lualaba 42,9 5,9 4,8
Haut-Lomami 48,6 6,2 13,1
Tanganyika 40,8 4 6,6
Lomami 45,3 6 7,8
Kasaï-Oriental 42,8 5,6 8,2
Sankuru 50,4 8,2 12,7
Kasaï-Central 53,7 6 10
Kasaï 47,4 6,9 16,9
Landesweit 41,8 6,5 7
Quellen: INS, USAID und UNICEF (2019).
Anmerkung: Alle Indikatoren gelten für Kinder unter fünf Jahren. Die hier aufgeführten Schätzwerte zur landesweiten Kindersterblichkeit und jene in Abbildung 3.2 unterscheiden sich, da hier INS, USAID und UNICEF (2019) zitiert werden, die auch subnationale Werte berücksichtigen, während die in Abbildung 3.2 zitierte UN IGME (2019b) als Quelle für alle Länder in diesem Bericht herangezogen wurde.

Das Hungerniveau in der DR Kongo wird vorläufig als sehr ernst eingestuft (siehe Box 1.3). Ein WHI-Wert konnte nicht berechnet werden, da für die Verbreitung von Unterernährung, einem der vier zugrunde liegenden Indikatoren, keine Daten verfügbar waren. Doch laut dem 2020 Global Report on Food Crises war die DR Kongo 2019, hinsichtlich der Anzahl der Betroffenen, von der zweitschwersten Ernährungskrise der Welt betroffen: etwa 15,6 Millionen Menschen litten unter Ernährungsunsicherheit auf dem Niveau einer akuten Krise oder eines humanitären Notfalls. Neben Konflikten und einer schlechten Sicherheitslage, die zu Vertreibungen und dem Verlust von Existenzgrundlagen führen, tragen auch Wetterextreme, Ernteverluste durch Schädlinge sowie wirtschaftliche Schocks, etwa durch hohe Maismehlpreise, zur Ernährungsunsicherheit bei (FSIN 2020).

Wachstumsverzögerung bei Kindern – ein Indikator für chronische Unterernährung – bleibt weitverbreitet.Mit 41,8 Prozent im Zeitraum 2017 bis 2018 ist die Wachstumsverzögerung bei Kindern seit 2001 kaum zurückgegangen, als sie bei 44,4 Prozent lag (siehe Abbildung 3.2) (INS, USAID und UNICEF 2019; UNICEF, WHO und World Bank 2020a). Auf Provinzebene sind die Wachstumsverzögerungsraten am höchsten in Kwango, Kasaï-Central und Sankuru, wo mehr als die Hälfte der Kinder wachstumsverzögert ist, verglichen mit nur 15,6 Prozent in Kinshasa (Tabelle 3.1) (INS, USAID und UNICEF 2019). Kinder in der DR Kongo, die Zugang zu Gesundheitsversorgung und angemessener Ernährung und Fürsorge haben, weisen ein geringeres Maß an Wachstumsverzögerung auf als andere Kinder; während ausbleibende Niederschläge in der Anbausaison die Wahrscheinlichkeit von Wachstumsverzögerung erhöhen (Skoufias, Vinha und Sato 2019). Indes besteht bei Kindern, die innerhalb der ersten Stunde nach der Geburt gestillt werden, und solchen, deren Mütter zum Zeitpunkt der Entbindung 20 Jahre oder älter waren, ein geringeres Risiko für Wachstumsverzögerung (Kismul et al. 2018).

Auszehrung bei Kindern – ein Indikator für akute Unterernährung – ist signifikant zurückgegangen. Im Zeitraum 2017 bis 2018 betrug die Auszehrungsrate bei Kindern 6,5 Prozent – ein deutlicher Rückgang gegenüber 15,9 Prozent im Jahr 2001 (INS, USAID und UNICEF 2019; UNICEF, WHO und World Bank 2020a). Die Provinzen mit den höchsten Auszehrungsraten sind Nord-Ubangi (13,5 Prozent) und Ituri (11,2). Sud-Kivu hat mit 2,6 Prozent die niedrigste Auszehrungsrate aller Provinzen, doch auch in Nord-Kivu ist sie mit 4,6 Prozent relativ niedrig (INS, USAID und UNICEF 2019).

Die Sterblichkeitsrate bei Kindern unter fünf Jahren ist zwar gesunken, liegt aber immer noch über dem Durchschnitt der Region.Im Jahr 2018 lag die Kindersterblichkeit bei 8,8 Prozent, hat also gegenüber 16,1 Prozent im Jahr 2000 abgenommen; gleichwohl liegt sie damit über dem Durchschnitt von 7,8 Prozent in Afrika südlich der Sahara. 2018 starben in der DR Kongo etwa 296.000 Kinder unter fünf Jahren (UN IGME 2019b). Neben Malaria, akuten Atemwegsinfekten und Durchfallerkrankungen ist Fehlernährung dort eine der Hauptursachen für die hohe Kindersterblichkeit (Kavle et al. 2019; MPSMRM, MSP und ICF International 2014). Die zwei Kongo-Kriege (1996 bis 1997 und 1997 bis 2003) lösten einen Anstieg der Kindersterblichkeit aus, insbesondere im Säuglingsalter (1 bis 11 Monate nach der Geburt) (Lindskog 2016). Die Provinzen mit den höchsten Kindersterblichkeitsraten sind Kasaï (16,9 Prozent), Haut- Lomami (13,1) und Sankuru (12,7). Interessanterweise wurden in mehreren Provinzen mit einem hohen Anteil anhaltender Konflikte relativ niedrige Kindersterblichkeitsraten ermittelt, wie beispielsweise in Nord-Kivu (2,6 Prozent), Sud-Kivu (3,8) und Ituri (4,4). Eine Analyse aus dem Jahr 2007 vermutete, dass in Nord-Kivu einerseits die Anwesenheit mehrerer Nichtregierungsorganisationen, die sich für die Reduktion der Kindersterblichkeit einsetzen, und andererseits der große Anteil von Kindern, die in Flüchtlingslagern leben, ursächlich für die niedrige Kindersterblichkeit gewesen sein könnten (Kandala et al. 2014).

Die Ernährungsvielfalt und -häufigkeit sind unzureichend. Maniok und Mais sind die am häufigsten konsumierten Grundnahrungsmittel in der DR Kongo, gefolgt von Reis. Bohnen und Palmöl sind ebenfalls wichtige Bestandteile der Ernährung (FEWS NET 2019). Fleisch, Fisch, Eier, Obst und Gemüse werden gelegentlich konsumiert, Milchprodukte hingegen selten (Kismul, Mapatano und Banea 2017). Nur 8 Prozent der Kinder im Alter von 6 bis 23 Monaten erreichen eine minimale Ernährungsdiversität (INS, USAID, und UNICEF 2019).

Die Wasser-, Sanitär- und Hygienebedingungen sind ungenügend und tragen zu Fehlernährung und schlechter Gesundheit bei. In Haushalten ohne sauberes fließendes Wasser besteht für Kinder ein höheres Risiko für Wachstumsverzögerung. Ein schlechter Zugang zu Wasser- und Sanitärversorgung hat höhere Anämieraten zur Folge (World Bank 2017). Nur 33 Prozent der Bevölkerung haben Zugang zu einer angemessenen Sanitärversorgung, 59 Prozent haben Zugang zu geeigneten Trinkwasserquellen und 22 Prozent haben Handwaschgelegenheiten mit Wasser und Seife im Haus, was eine Herausforderung für die wirksame Prävention der Ausbreitung von Covid-19 darstellt (INS, USAID und UNICEF 2019; UN Water 2020). Selbst vermeintlich geeignete Wasserquellen sind mit schädlichen Bakterien verunreinigt, darunter mehr als ein Drittel des Leitungswassers in Kinshasa, was verdeutlicht, dass eine Verbesserung der Wasserversorgung dringend notwendig ist (World Bank 2017).

Wie Hunger zurückgedrängt wurde

Foto: Kai Loeffelbein/Welthungerhilfe 2018; In einem Projekt der Welthungerhilfe in der Demokratischen Republik Kongo lernen Menschen aus dem Umkreis in einem Schulungsgarten Gemüseanbau-Methoden. Hier wird Knoblauch angebaut. Ausblenden

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In der DR Kongo waren Gruppenschulungen für Kleinbäuerinnen und -bauern und ein Fürsorgegruppen-Programm für Frauen und Kinder besonders wirksam. Das „Jenga Jamaa II“-Programm in Sud-Kivu umfasste eine Reihe von Interventionen zur Bekämpfung von Ernährungsunsicherheit und Unterernährung bei Kindern, unter anderem gruppenbasierte Anbauschulungen für Kleinbäuerinnen und -bauern (Farmer Field Schools), Farmer-to-Farmer-Schulungen und Frauen-Ermächtigungs-Gruppen. Ein weiterer Baustein waren Fürsorgegruppen für Schwangere und Kinder unter zwei Jahren. Dort wurden Schulungen zu Ernährung und Kindergesundheit angeboten, der Nutzgartenbau gefördert und monatliche Nahrungsmittelrationen (Mais- Soja-Mischung und Vitamin-A-angereichertes Speiseöl) bereitgestellt. Die Ermächtigungs- und Fürsorgegruppen sowie die Farmer Field Schools haben zu einer deutlichen Verbesserung der Ernährungsvielfalt und -sicherheit der teilnehmenden Haushalte beigetragen, wobei die Farmer Field Schools die größte Wirkung erzielten (Doocy et al. 2018). Auch die Kinderernährung wurde durch die Farmer Field Schools und Fürsorgegruppen verbessert, wobei Letztere hier am wirksamsten schienen. Dies deutet darauf hin, dass Ernährungsbildung vermutlich ein wichtiges Element für die Verbesserung der Kinderernährung war (Doocy et al. 2019).

Nahrungsergänzungsmittel für Schwangere verbessern den Ernährungszustand Neugeborener. Im Rahmen der „Women First“- Studie erhielten Frauen in der Provinz Équateur mindestens drei Monate vor der Empfängnis ein lipidbasiertes Nahrungsergänzungsmittel mit Mikronährstoffen sowie einen Protein-Energie-Zusatz, wenn sie einen niedrigen Body-Mass-Index (BMI) aufwiesen oder während der Schwangerschaft eine nur suboptimale Gewichtszunahme verzeichneten. Verglichen mit der Kontrollgruppe, die keine Nahrungsergänzungsmittel erhielt, waren die Kinder der Frauen in der Interventionsgruppe bei der Geburt größer in Bezug auf ihr Alter (Hambidge et al. 2019).

Geldtransfers und Nahrungsmittelgutscheine wirken sich ähnlich auf den Nahrungsmittelkonsum der Empfänger*innen aus, allerdings können Geldtransfers kostengünstiger sein. Concern Worldwide Concern Worldwide6 führte in einer informellen Siedlung in Masisi ein randomisiertes Experiment zu wirksamen Unterstützungsmaßnahmen für Haushalte in humanitären Kontexten durch. Die Ergebnisse zeigten keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich des Nahrungsmittelkonsums oder anderer Messgrößen zwischen den Empfänger*innen von Gutscheinen und Geldtransfers. Geldtransfers waren jedoch in der kontinuierlichen Verwaltung kostengünstiger, boten den Empfänger*innen mehr Flexibilität und möglicherweise mehr Sicherheit, da sie selbst entscheiden konnten, wann und wo sie die Transfers einlösen (Aker 2017).

Maßnahmen der Politik zur Ernährungssicherung

Foto: Kai Loeffelbein/ Welthungerhilfe 2018; Straßenbauprojekt in Masisi, Demokratische Republik Kongo. Ausblenden
  • Der Nationale Strategische Entwicklungsplan (PNSD, 2017–2050) legt die Leitlinien für die Entwicklung des Landes bis 2050 fest. Dieser Plan sieht drei Phasen vor: Von 2017 bis 2021 stehen Landwirtschaft und ländliche Entwicklung im Mittelpunkt, mit dem Ziel, bis 2021 ein Land mit mittlerem Einkommen zu sein. Zwischen 2021 und 2030 soll die DR Kongo durch Industrialisierung eine aufstrebende Volkswirtschaft werden. Von 2030 bis 2050 soll die Wirtschaft schließlich wissensbasiert und das Land voll industrialisiert werden (Green Climate Fund 2018). Die Verbesserung der Ernährungssicherheit gefährdeter Bevölkerungsgruppen ist Teil der ersten Phase (ADF 2016).

  • Die zweite Nationale Ernährungsstrategie, die 2013 verabschiedet wurde, verfolgt einen sektorübergreifenden Ansatz. Gefördert werden sollen das ausschließliche Stillen von Kindern in den ersten sechs Lebensmonaten, die häusliche Anreicherung von Beikost für Kinder im Alter von 6 bis 23 Monaten, Maßnahmen gegen Mikronährstoffmangel (Vitamin A, Eisen, Jod und Zink) und Maßnahmen zur Verbesserung der Ernährung schwangerer und stillender Frauen sowie die Früherkennung und Behandlung von Kinderkrankheiten, einschließlich akuter Fehlernährung. Außerdem sollen bis 2023 die Wachstumsverzögerung bei Kindern im Alter von 0 bis 23 Monaten um 50 Prozent gesenkt und die Verbreitung akuter Fehlernährung in allen Provinzen auf unter 10 Prozent reduziert werden (Kasiwa und Muzabedi 2020; World Bank 2019a).

  • Ziele der Nationalen Ernährungssicherheitsstrategie (PNSAN, 2017–2030) sind die Prävention und die Bewältigung von Landwirtschafts- und Ernährungskrisen (Kalala und Fyama 2019). Das Nationale Programm für Ernährungssicherheit in der Landwirtschaft (PROSANA) wurde 2020 als Teil des Landwirtschaftministeriums zur Koordinierung der PNSAN ins Leben gerufen und schließt auch weitere ernährungsrelevante Sektoren ein (FAO 2020h).

  • Der Nationale Agrarinvestitionsplan (PNIA, 2013–2020) ist der Planungsrahmen für in- und ausländische Investitionen in den Agrarsektor und die ländliche Entwicklung. Das Programm umfasst über seine Laufzeit etwa 5,7 Milliarden US-Dollar, von denen rund 9 Prozent (circa 540 Millionen US-Dollar) für die Verbesserung der Ernährungssicherheit sowie den Aufbau strategischer Nahrungsmittelreserven vorgesehen sind (UNDP, CAADP und NEPAD 2013).

  • Der Nationale Gesundheitsentwicklungsplan (PNDS, 2016–2020) legt den Ansatz des Landes zur Bewältigung der Probleme im Gesundheitswesen vor. Zu diesen zählen ein unzureichender Zugang zu einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung, fehlendes Fachpersonal und mangelnde Koordinierung im gesamten Gesundheitssystem. Die Strategie schließt auch die Stärkung und Erweiterung der Rolle von Gemeindemitgliedern und -strukturen ein (Devlin, Egan und Pandit-Rajani 2017). Der PNDS erkennt Fehlernährung als ein ernsthaftes Problem an und enthält Ziele zur Reduzierung von Wachstumsverzögerung und akuter Fehlernährung bei Kindern. Angestrebt wird zudem eine allgemeine Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung, was die Regierung seit der Verabschiedung des Plans mehrfach bekräftigt hat (MoPH DRC 2016; WHO 2020c).

Handlungsempfehlungen

Foto: Kai Loeffelbein/ Welthungerhilfe 2018; Fischzucht in Masisi in der Demokratischen Republik Kongo. Kinder rennen am Fischteich. Ausblenden
  • Eine bessere Sicherheitslage, vor allem im Osten der DR Kongo, ist für die Ernährungssicherheit unerlässlich. Die Bemühungen der Regierung, ehemalige Kämpfer*innen zu entwaffnen, zu demobilisieren und wieder einzugliedern, sind für diesen Prozess entscheidend (UN 2019c). Außerdem rät eine kürzlich durchgeführte, unabhängige strategische Analyse zu einer großzügigen übergangszeit und größtmöglicher Flexibilität, um angemessen auf den Verlauf der Ereignisse reagieren zu können, sobald die Regierung der DR Kongo entscheidet, die Sicherheit des Landes wieder eigenständig zu gewährleisten, und die Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in der DR Kongo (MONUSCO) beendet werden kann (UN 2019a).

  • Die Stärkung staatlicher Institutionen und ihrer Kapazitäten ist eine Grundvoraussetzung für die Verbesserung der Ernährungssicherheit. Rechtsstaatlichkeit und Vertrauen in die Institutionen sind unablässig für ein förderliches politisches Umfeld. Die schwache Regierungsführung und die begrenzten Regierungskapazitäten auf lokaler, provinzieller und nationaler Ebene sind wesentliche Hindernisse für die Ausweitung der Ernährungsprogramme. Das Nationale Ernährungsprogramm (PRONANUT) ist unterbesetzt und unterfinanziert und verfügt nicht über die erforderliche Expertise, um sein Mandat zu erfüllen (World Bank 2019a). Es benötigt mehr Ressourcen, um die eigenen Kapazitäten zu stärken und zuverlässige Programme umzusetzen.

  • Die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität und Produktion ist zentral, um die Ernährungssicherheit zu verbessern und die Stabilität im Land zu sichern. Um die Produktivität zu steigern, brauchen Landwirt*innen einen besseren Zugang zu landwirtschaftlichen Betriebsmitteln (FAO 2018a). Technologien wie Kurzzyklus-Saatgut können besonders in konfliktanfälligen Gebieten nützlich sein (FAO 2018b). Das landwirtschaftliche Beratungssystem ist hinsichtlich Wissens- und Technologievermittlung bei den Landwirt*innen trotz guter personeller Ausstattung wenig erfolgreich. Zusätzliche Schulungen, Gelder und Anreize für die Berater*innen sind ebenso erforderlich wie eine bessere Koordination, eine klare, einheitliche Strategie und ein klares Mandat für das Beratungssystem (Ragasa et al. 2016). Um Landrechte für Bäuerinnen und Bauern, insbesondere im Osten der DR Kongo, zu sichern, ist eine Reform des Grundbesitzsystems nötig (International Land Coalition 2020). Damit die Landwirt*innen ihre Beschaffungs- und Absatzmärkte erreichen können, muss die Verkehrsinfrastruktur – derzeit vielerorts durch eine geringe Straßenqualität und -dichte gekennzeichnet – verbessert werden (Marivoet et al. 2018).

  • Ernährungsbildung und eine angemessene Ernährungspraxis bei Säuglingen und Kleinkindern müssen gestärkt werden. Die DR Kongo verfügt über ein System ehrenamtlicher kommunaler Gesundheitshelfer*innen (relais communautaires). Sie bieten den Haushalten eine ganzheitliche Behandlung bei Malaria, Durchfall und Atemwegserkrankungen, Beratung zu Ernährung, reproduktiver, Mütter-, Neugeborenen- und Kindergesundheit, einschließlich Familienplanung, sowie Beratung hinsichtlich Wasser-, Sanitärversorgung und Hygiene, HIV/Aids und Krankheitsprävention (Devlin, Egan und Pandit-Rajani 2017). Beratungen zur angemessenen Ernährungspraxis bei Säuglingen und Kleinkindern sind jedoch begrenzt, sodass dieser Bereich wesentlich gestärkt werden muss (Locks et al. 2019; Kavle et al. 2019). Die Gesundheitshelfer*innen haben Schwierigkeiten, die Gemeinden zu erreichen, unter anderem wegen schlechter Straßen und mangelnder Sicherheit. Zudem braucht es größere staatliche Unterstützung, etwa durch mehr Finanzmittel, Ausbildung, Kapazitätsaufbau und einen besseren Zugang zu Versorgungsgütern (Community Health Roadmap 2019).

  • Jugendliche brauchen einen besseren Zugang zu Familienplanung und reproduktiver Gesundheitsversorgung. Dies kann auch zur Verbesserung der Kinderernährung beitragen. Kinder junger Mütter haben in Afrika südlich der Sahara ein höheres Risiko für Wachstumsverzögerung (Kismul et al. 2018; Fink et al. 2014). In der DR Kongo sind 23,4 Prozent der 15- bis 19-jährigen Mädchen schwanger oder haben bereits ihr erstes Kind bekommen, und nur 9,5 Prozent der jugendlichen Mädchen, die verheiratet sind oder einen Partner haben, wenden eine moderne Verhütungsmethode an (INS, USAID und UNICEF 2019). Das Wissen der Jugendlichen über Verhütungsmethoden ist begrenzt, und Barrieren wie etwa die Angst vor sozialer Stigmatisierung behindern den Zugang dazu (Muanda et al. 2018). Während die sexuelle und reproduktive Gesundheitsversorgung von Jugendlichen in den letzten Jahren gefördert wurde, sind mehr Gelder und eine bessere Verfügbarkeit solcher Dienste dringend erforderlich (Kwete et al. 2018). Außerdem sind jugendliche Mädchen und Frauen häufig Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt und von Vergewaltigungen als Kriegswaffe. Für eine wirksamere Strafverfolgung solcher Verbrechen müssen soziale Normen hinterfragt und das Justizsystem gestärkt werden (UNFPA 2019).

  • Um die Herausforderungen im Bereich Wasser-, Sanitärversorgung und Hygiene zu bewältigen, sind institutionelle Reformen und der Aufbau weiterer Kapazitäten nötig. Das Wassergesetz von 2015– 2016 fördert die Dezentralisierung und die Bereitstellung der Wasserund Sanitärversorgung durch die Kommunalverwaltungen, allerdings benötigen Provinz- und Kommunalbehörden mehr Ressourcen und Kapazitäten, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Um Effizienz und Kohärenz auf nationaler Ebene zu gewährleisten, muss außerdem die Verantwortung für die Gestaltung und Regulierung des Sektors konsolidiert und nicht mehr zwischen mehreren Ministerien aufgeteilt werden. In städtischen Gebieten wird dringend eine bessere Sanitärversorgung benötigt, und die Wasserqualität, selbst bei verbesserten Quellen, sollte überwacht und erhöht werden. Menschen im ländlichen Raum brauchen einen wesentlich besseren Zugang zu einer angemessenen Wasser- und Sanitärversorgung (World Bank 2017).

  • Interventionen zur Verbesserung der Ernährungssicherheit sollten die unterschiedlichen Kontexte und regionalen Bedingungen innerhalb des Landes berücksichtigen. Während es für die DR Kongo in vielerlei Hinsicht nur wenige Daten gibt, konnten mittels einer kürzlich entwickelten Klassifizierungsmethode mehrere vorrangige Interventionszonen innerhalb des Landes und deren dringendste Bedarfe identifiziert werden. In Kombination mit anderen Daten können Interventionen zur Verbesserung der Ernährungssicherheit so präziser auf die unterschiedlichen Regionen des Landes ausgerichtet werden (Marivoet, Ulimwengu und Sedano 2019).

  • Organisationen der humanitären Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit müssen dazu beitragen, die Ursachen von Hunger und Armut zu beheben, und dabei die höchsten Ethikstandards einhalten, um zu dauerhaften Lösungen beizutragen. Bei anhaltenden Krisen wie in der DR Kongo ist neben Nothilfe auch die Unterstützung der langfristigen Entwicklung unerlässlich (Mosello, Chambers und Mason 2016). Einem aktuellen Bericht zufolge sind Betrug und Korruption unter humanitären Organisationen in der DR Kongo weitverbreitet (Kleinfeld und Dodds 2020). Diese Organisationen müssen unverzüglich Reformen umsetzen und zu Vorbildern der Korruptionsbekämpfung werden, statt diesen Missstand zu verschärfen.

Blickpunkt: Concern Worldwide und die Welthungerhilfe In der DR Kongo

Foto: Kai Loeffelbein/ Welthungerhilfe 2018; In einem Projekt der Welthungerhilfe lernen Menschen aus dem Umkreis in einem Schulungsgarten Gemüseanbau-Methoden. Hier wird Knoblauch angebaut. Ausblenden

Box 3.1

BLICKPUNKT: CONCERN WORLDWIDE UND DIE WELTHUNGERHILFE IN DER DR KONGO

Gemeinsam mit lokalen Partnern setzen Concern Worldwide und die Welthungerhilfe in der DR Kongo Programme um, die humanitäre Hilfe mit längerfristigen Projekten der Entwicklungszusammenarbeit verknüpfen. Dank ihrer jahrelangen Erfahrungen vor Ort haben beide Organisationen bedeutende Expertise darin entwickelt, die Bevölkerung auch angesichts wiederkehrender Schocks und dauerhafter Vertreibung nachhaltig zu unterstützen.

Mit Programmen zur Resilienzstärkung verfolgt Concern Worldwide einen ganzheitlichen Ansatz, um die Kapazitäten der Haushalte zu erhöhen, die sie benötigen, um sich von Schocks zu erholen und ihre Existenzgrundlagen wiederherzustellen. Die Organisation verbindet ihre Expertise in geldbasierten Nothilfe-Programmen und Gleichstellungsprogrammen mit dem längerfristigen „Graduation-Modell“ – einer ganzheitlichen Intervention, die Menschen bei den ersten Schritten aus der extremen Armut unterstützen soll und aus fünf aufeinander aufbauenden Elementen besteht: Zielgruppenorientierung; Konsumförderung; Aufbau von Ersparnissen; Transfer von Wirtschaftsgütern; sowie kontinuierliche Qualifizierungsmaßnahmen. Concern Worldwide führt darüber hinaus vielfältige Interventionen speziell im Bereich Wasser-, Sanitärversorgung und Hygiene durch. Dazu zählen der Bau und die Sanierung von Brunnen, Latrinen, Wasser- und Waschstationen sowie Kampagnen zur Verbesserung der Hygienepraxis, einschließlich der Menstruationshygiene. Dabei integriert Concern Worldwide auch Elemente zur Gleichstellung der Geschlechter sowie zur Prävention sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt und fördert die lokale Eigenverantwortung, um sicherzustellen, dass die Projekte nachhaltig sind.

Die Welthungerhilfe unterstützt gefährdete Gruppen wie Frauen, Binnenvertriebene, Rückkehrer*innen und Aufnahmegemeinschaften, indem sie auf akute Krisenlagen reagiert und die langfristige Entwicklung fördert. Sie verbindet Ernährungsprogramme mit Verbesserungen im Bereich Wasser-, Sanitärversorgung und Hygiene, nachhaltiger Nahrungsmittelproduktion, Marktanbindungen für Erzeuger*innen und Infrastruktur-Wiederaufbau. Um die Wirkung ihrer Projekte zu verstärken, unterstützt die Welthungerhilfe Kleinbäuerinnen und -bauern mit Ausbildungsmaßnahmen in den Bereichen Landwirtschaft und Ernährung. In Nord-Kivu führt sie seit mehreren Jahren gemeindebasierte Schulungen speziell für Frauen und Mütter durch, mit spürbarem Erfolg: Multiplikatorinnen tragen neue Kenntnisse über Anbautechniken und Ernährungspraktiken in ihre Gemeinden. Dort nutzen die Frauen das neue Wissen, um die Ernährung der Haushalte zu diversifizieren. Die neuen Anbautechniken erlauben es ihnen, ihr Einkommen durch den Verkauf einer größeren Produktmenge und -vielfalt zu erhöhen. Das zusätzliche Einkommen trägt nicht nur dazu bei, dass sie unter anderem das Schulgeld für ihre Kinder bezahlen können, sondern stärkt auch ihre Autonomie und ihre Beteiligung an der Entscheidungsfindung im Haushalt.

Gemeinsam mit ihren Partnern arbeiten Concern Worldwide und die Welthungerhilfe daran, Geschlechtergerechtigkeit auch durch die aktive Einbindung von Männern zu erhöhen. Dabei werden Männer ermutigt, Stereotype zu hinterfragen und einen gerechteren Umgang zwischen den Geschlechtern zu fördern. Zusätzlich wird das Bewusstsein für den Zusammenhang zwischen Familienplanung, Müttergesundheit und Ernährungssicherheit gestärkt.

Mit einem gemeinsamen Projekt stärken Concern Worldwide und die Welthungerhilfe die Resilienz und Ernährungssicherheit in der Region Masisi. In dieser bedeutenden Zielregion für Binnenvertriebene steht das Ernährungssystem unter Druck. Daher zielt das Projekt darauf ab, die landwirtschaftliche Produktion und das Wissen über Ernährung, den Zugang zu Wasser, die Diversifizierung der Existenzgrundlagen und die wirtschaftliche Ermächtigung der Teilnehmenden zu verbessern. Es unterstützt die Gemeinden dabei, potenzielle Katastrophen zu identifizieren, sich darauf vorzubereiten und ihnen vorzubeugen. Kleinbäuerliche Haushalte werden durch die Bereitstellung von Saatgut, Werkzeugen und Schulungen, die Förderung der Landnutzungsplanung sowie durch die Verbesserung ihrer Vermarktungsstrategien unterstützt. Die Unterstützung bei der Gründung von Kleinstunternehmen oder der Suche nach Arbeit richtet sich speziell an Frauen und junge Erwachsene. Das Projekt arbeitet eng mit lokalen Organisationen, Landwirtschaftsgruppen, Familien in ländlichen Gebieten und staatlichen Institutionen zusammen, um in den Gemeinden langfristige Kapazitäten aufzubauen.

 

Fußnoten

  1. Die hier genannten Armutsquoten beziehen sich auf die internationale Armutsgrenze von 1,90 US-Dollar pro Tag und Kopf (Kaufkraftparität 2011).  
  2. Die Verbreitung von Unterernährung misst chronischen Hunger, der sich von akuter Ernährungsunsicherheit unterscheidet. Siehe Box 1.2 für weitere Erläuterungen.  
  3. Um die Einflussfaktoren von Wachstumsverzögerung, Auszehrung bei Kindern und Kindersterblichkeit auf Provinzebene zu identifizieren, sind weitere Analysen erforderlich.  
  4. Die „minimale Ernährungsdiversität“ ist ein Standard, der das Minimum bezüglich Ernährungsvielfalt und Mahlzeitenhäufigkeit vorgibt und unterschiedliche Empfehlungen für gestillte und nicht gestillte Kinder enthält, die Milch oder Muttermilchersatzprodukte benötigen.  
  5. Veröffentlichte Evaluationen über die Wirkungen des Programms gingen indes nicht auf Aspekte der Kosten-Wirksamkeit ein, obwohl diese Einfluss auf die überlegungen über die Ausweitung des Programms hat.  
  6. Concern Worldwide ist einer der beiden Partner, die den Welthunger-Index-Bericht erstellen.  
Aufzeigende Kinder in einer Schule in Burundi. © Karin Desmarowitz
Aufzeigende Kinder in einer Schule in Burundi. © Karin Desmarowitz
KARTE DER DR KONGO

Map of DRC Anmerkung: Die DR Kongo ist in 26 Provinzen unterteilt, darunter die Stadt-Provinz Kinshasa, die Hauptstadt des Landes. Die auf den Karten dieser Publikation abgebildeten Grenzen, Namen und Bezeichnungen stellen keine offizielle Stellungnahme oder Anerkennung vonseiten der Welthungerhilfe oder Concern Worldwide dar.

 

ABBILDUNG 3.2: WHI-INDIKATORWERTE DER DR KONGO 2000, 2006, 2012 UND 2020


WHI-Indikatorwerte Der DR Kongo 2000, 2006, 2012 und 2020

Quelle: die Autor*innen, auf Grundlage der in Anhang C aufgeführten Datenquellen.
Anmerkung: Wachstumsverzögerung, Auszehrung und Kindersterblichkeit beziehen sich jeweils auf die Indikatorwerte für Kinder unter fünf Jahren. Die Daten für Wachstumsverzögerung und Auszehrung bei Kindern stammen aus den Perioden 1998 bis 2002 (2000), 2004 bis 2008 (2006), 2010 bis 2014 (2012) und 2015 bis 2019 (2020). Die Daten zur Kindersterblichkeit wurden in den Jahren 2000, 2006, 2012 und 2018 (2020) erhoben. Daten für den vierten Indikator – Unterernährung – sind nicht verfügbar.

Kernbotschaften

  • Für die Demokratische Republik Kongo (DR Kongo) konnte aufgrund unvollständiger Daten kein WHI-Wert berechnet werden, dennoch wird die Hungersituation vorläufig als sehr ernst eingestuft. Das Land erlebte 2019 die zweitschwerste Ernährungskrise der Welt. Kindersterblichkeit und Wachstumsverzögerung bei Kindern sind hoch. Auszehrung bei Kindern ist dagegen seit 2001 deutlich zurückgegangen.

  • Mit 72 Prozent lebt ein extrem hoher Bevölkerungsanteil in Armut.

  • Anhaltende Gewalt und eine schlechte Sicherheitslage tragen zu fortwährender Instabilität sowie massiver Vertreibung bei und bedrohen sowohl Existenzgrundlagen als auch die Ernährungssicherheit.

  • Mehrere Gesundheitskrisen – darunter schwere Ausbrüche von Ebola, Masern, Cholera und jetzt die Covid-19-Pandemie – gefährden Gesundheit, Ernährungssicherheit und wirtschaftlichen Wohlstand. Der Zugang zu sauberem Wasser, Sanitär- und Hygieneeinrichtungen ist extrem eingeschränkt.

  • Zu den wirksamen Interventionen gehören Gruppenschulungen für Kleinbäuerinnen und -bauern sowie Fürsorgegruppen, die Ernährungsbildung, Kompetenzaufbau und Nahrungsmittelrationen für Frauen und Kinder anbieten.

  • Fortschritte bei der Ernährungssicherheit hängen von der Verbesserung der Sicherheitslage, dem Aufbau staatlicher Kapazitäten und der Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion und Produktivität ab, sowie von der Reform der Wasser- und Sanitärversorgung und einer Stärkung der Ernährungsbildung und reproduktiven Gesundheitsversorgung.


M it einer riesigen Fläche, einer großen Bevölkerung und enormen Rohstoffvorkommen verfügt die DR Kongo über immenses wirtschaftliches Potenzial, aber in den letzten Jahren behinderten Kriege und wiederkehrende Konflikte die Entwicklung.

Das flächenmäßig größte Land Afrikas südlich der Sahara hat mit 84 Millionen Einwohner*innen die drittgrößte Bevölkerung in der Region (World Bank 2020a). Es verfügt über beträchtliche Mineralvorkommen, insbesondere im Süden und Osten des Landes (Geenen und Marysse 2016). Doch die brutale Ausbeutung während der Kolonialzeit und des späteren Autoritarismus sowie politische Krisen und Kriege haben dazu geführt, dass die Regierung instabil ist und der Staat nur sehr begrenzt soziale und wirtschaftliche Leistungen erbringen kann. Ferner wird die Wirksamkeit staatlicher Dienstleistungen und Investitionen durch weitverbreitete Korruption beeinträchtigt (Bak et al. 2019). Obwohl es 2019 erstmals einen friedlichen Präsidentschaftswechsel gab, steht die DR Kongo noch immer vor großen Herausforderungen (IFAD 2019). Mehr als 100 bewaffnete Gruppen üben anhaltend Gewalt aus, insbesondere in den östlichen Provinzen Nord-Kivu, Sud-Kivu und Ituri (ICG 2019). Diese Gewalt hat zu massiver Vertreibung geführt: Ende 2019 wurden 5,5 Millionen Binnenvertriebene gezählt – mehr als in jedem anderen Land Afrikas – und Stand Februar 2020 waren fast eine Million Menschen in die Nachbarländer geflohen. Darüber hinaus lebten im Januar 2020 mehr als eine halbe Million Vertriebene aus anderen Ländern in der DR Kongo (IDMC 2020; UNHCR 2020a).

Extreme Armut ist weitverbreitet. Während 2004 91,1 Prozent der Bevölkerung in Armut lebten, waren es aktuellsten offiziellen Statistiken zufolge 2012 76,6 Prozent (World Bank 2020a). Hochrechnungen zufolge sank dieser Anteil bis 2018 geringfügig auf 72 Prozent, bleibt aber außergewöhnlich hoch (World Bank 2019b). 2018 lag das Bruttoinlandsprodukt (BIP) gemäß aktuellem Kurswert bei nur 562 US-Dollar pro Kopf. Das ist das zehntniedrigste Pro-Kopf-BIP aller Länder mit verfügbaren Daten. Armut ist besonders in den nordwestlichen und zentralen Provinzen des Landes stark ausgeprägt (World Bank 2017). Seit 2010 ist das Pro-Kopf-BIP durchschnittlich um jährlich drei Prozent gewachsen (World Bank 2020a), wobei die Covid-19-Pandemie und ihre wirtschaftlichen Auswirkungen diese Fortschritte gefährden dürften. Im Index der menschlichen Entwicklung (Human Development Index) rangiert die DR Kongo auf Platz 179 von 189 Ländern (UNDP 2019).

Die Mehrheit der Bevölkerung ist im Agrarsektor beschäftigt, doch die Industrie – angeführt vom Bergbau – trägt am meisten zum BIP bei. 2019 waren 68 Prozent der Beschäftigten in der Landwirtschaft, 21 Prozent im Dienstleistungssektor und 11 Prozent in der Industrie tätig. Die Landwirtschaft trägt nur 19 Prozent zum BIP bei, Dienstleistungen dagegen 33 Prozent und die Industrie 44 Prozent (World Bank 2020a). Konflikte und Instabilität stellen den Agrarsektor vor große Probleme, da Kleinbäuerinnen und -bauern immer wieder von ihrem Land vertrieben werden und infolgedessen die nötigen finanziellen Mittel für Saatgut, Dünger und andere Betriebsmittel verlieren. überschwemmungen, Erdrutsche und Bodenerosion beeinträchtigen die landwirtschaftliche Produktion ebenfalls und dürften, aufgrund des Klimawandels, in Zukunft weiter zunehmen (FAO 2018a; USAID 2018b). Wegen des begrenzten Zugangs der Landwirt*innen zu modernen Techniken und Betriebsmitteln ist die landwirtschaftliche Produktivität gering im Vergleich zum Durchschnitt Afrikas südlich der Sahara (World Bank 2019a). Bankdienstleistungen sind nur äußerst begrenzt verfügbar, insbesondere im ländlichen Raum, und selten besitzen Bäuerinnen und Bauern Landtitel, die als Sicherheiten für Kredite genutzt werden können (Marivoet et al. 2018).

Gesundheitskrisen bedrohen das Wohlergehen der Bevölkerung, schwächen das Wirtschaftswachstum und verschärfen in manchen Fällen die Ernährungsunsicherheit. Seit 1976 hat es in der DR Kongo elf Ebola-Ausbrüche gegeben. Im Juni 2020 wurde ein neuer Ausbruch in der Provinz Équateur registriert, während der bisher größte, von dem vornehmlich die Provinz Nord-Kivu betroffen war, für beendet erklärt wurde. Seit Mai 2018 kam es zu über 3.400 Infektions- und mehr als 2.200 Todesfällen in den Provinzen Nord-Kivu, Sud-Kivu und Ituri (WHO 2020a; MSF 2020). Die Bekämpfung des Ebola-Ausbruchs hat enorme öffentliche Ressourcen gefordert und die Lebensgrundlagen und Ernährungssicherheit vieler Menschen in den betroffenen Gebieten erheblich beeinträchtigt. Die Covid-19-Pandemie könnte die Ernährungssicherheit noch stärker bedrohen, entweder durch die unmittelbaren Auswirkungen der Krankheit oder als Folge der zu erwartenden Rezession. Infolge einer massiven, seit 2018 andauernden Masern-Epidemie haben sich mehr als 300.000 Personen infiziert, von denen im Jahr 2019 nachweislich 6.045 daran verstarben, darunter besonders viele Kinder. Masern erhöhen bei Kindern das Risiko für akute Fehlernährung, die wiederum die Schwere und Dauer der Masernerkrankung verstärkt (Ducomble und Gignoux 2020; Holzmann et al. 2016). überdies sind 23 der 26 Provinzen mit einer Cholera-Epidemie konfrontiert, die allein im Jahr 2019 zu über 30.000 Infektions- und 500 Todesfällen geführt hat (Solidarités International 2020).

Hunger in der DR Kongo

Foto: Kai Loeffelbein /Welthungerhilfe 2018; Straßenszene in der Demokratischen Republik Kongo: Mann mit Kind transportiert Säcke auf einem Fahrrad. Ausblenden

Tabelle 3.1

WHI-INDIKATORWERTE FüR DIE DR KONGO NACH PROVINZ

Provinz Wachstumsverzögerung bei Kindern (%) Auszehrung bei Kindern (%) Kindersterblichkeit (%)
Kinshasa 15,6 5,5 6
Kongo Central 35,2 9,7 7,7
Kwango 54,6 9,3 3
Kwilu 47 10,9 7,1
Mai-Ndombe 38,8 9,3 6,6
Équateur 35 7,6 4,3
Sud-Ubangi 44,9 4,6 10,1
Nord-Ubangi 42,4 13,5 5,3
Mongala 47,5 8,5 3,6
Tshuapa 45,3 10,6 10,1
Tshopo 43,9 4,3 6
Bas-Uélé 47,5 4,1 4,2
Haut-Uélé 35,2 10 5,4
Ituri 47,1 11,2 4,4
Nord-Kivu 49,6 4,6 2,6
Sud-Kivu 48 2,6 3,8
Maniema 44,2 4 9,1
Haut-Katanga 40 5 9,8
Lualaba 42,9 5,9 4,8
Haut-Lomami 48,6 6,2 13,1
Tanganyika 40,8 4 6,6
Lomami 45,3 6 7,8
Kasaï-Oriental 42,8 5,6 8,2
Sankuru 50,4 8,2 12,7
Kasaï-Central 53,7 6 10
Kasaï 47,4 6,9 16,9
Landesweit 41,8 6,5 7
Quellen: INS, USAID und UNICEF (2019).
Anmerkung: Alle Indikatoren gelten für Kinder unter fünf Jahren. Die hier aufgeführten Schätzwerte zur landesweiten Kindersterblichkeit und jene in Abbildung 3.2 unterscheiden sich, da hier INS, USAID und UNICEF (2019) zitiert werden, die auch subnationale Werte berücksichtigen, während die in Abbildung 3.2 zitierte UN IGME (2019b) als Quelle für alle Länder in diesem Bericht herangezogen wurde.

Das Hungerniveau in der DR Kongo wird vorläufig als sehr ernst eingestuft (siehe Box 1.3). Ein WHI-Wert konnte nicht berechnet werden, da für die Verbreitung von Unterernährung, einem der vier zugrunde liegenden Indikatoren, keine Daten verfügbar waren. Doch laut dem 2020 Global Report on Food Crises war die DR Kongo 2019, hinsichtlich der Anzahl der Betroffenen, von der zweitschwersten Ernährungskrise der Welt betroffen: etwa 15,6 Millionen Menschen litten unter Ernährungsunsicherheit auf dem Niveau einer akuten Krise oder eines humanitären Notfalls. Neben Konflikten und einer schlechten Sicherheitslage, die zu Vertreibungen und dem Verlust von Existenzgrundlagen führen, tragen auch Wetterextreme, Ernteverluste durch Schädlinge sowie wirtschaftliche Schocks, etwa durch hohe Maismehlpreise, zur Ernährungsunsicherheit bei (FSIN 2020).

Wachstumsverzögerung bei Kindern – ein Indikator für chronische Unterernährung – bleibt weitverbreitet.Mit 41,8 Prozent im Zeitraum 2017 bis 2018 ist die Wachstumsverzögerung bei Kindern seit 2001 kaum zurückgegangen, als sie bei 44,4 Prozent lag (siehe Abbildung 3.2) (INS, USAID und UNICEF 2019; UNICEF, WHO und World Bank 2020a). Auf Provinzebene sind die Wachstumsverzögerungsraten am höchsten in Kwango, Kasaï-Central und Sankuru, wo mehr als die Hälfte der Kinder wachstumsverzögert ist, verglichen mit nur 15,6 Prozent in Kinshasa (Tabelle 3.1) (INS, USAID und UNICEF 2019). Kinder in der DR Kongo, die Zugang zu Gesundheitsversorgung und angemessener Ernährung und Fürsorge haben, weisen ein geringeres Maß an Wachstumsverzögerung auf als andere Kinder; während ausbleibende Niederschläge in der Anbausaison die Wahrscheinlichkeit von Wachstumsverzögerung erhöhen (Skoufias, Vinha und Sato 2019). Indes besteht bei Kindern, die innerhalb der ersten Stunde nach der Geburt gestillt werden, und solchen, deren Mütter zum Zeitpunkt der Entbindung 20 Jahre oder älter waren, ein geringeres Risiko für Wachstumsverzögerung (Kismul et al. 2018).

Auszehrung bei Kindern – ein Indikator für akute Unterernährung – ist signifikant zurückgegangen. Im Zeitraum 2017 bis 2018 betrug die Auszehrungsrate bei Kindern 6,5 Prozent – ein deutlicher Rückgang gegenüber 15,9 Prozent im Jahr 2001 (INS, USAID und UNICEF 2019; UNICEF, WHO und World Bank 2020a). Die Provinzen mit den höchsten Auszehrungsraten sind Nord-Ubangi (13,5 Prozent) und Ituri (11,2). Sud-Kivu hat mit 2,6 Prozent die niedrigste Auszehrungsrate aller Provinzen, doch auch in Nord-Kivu ist sie mit 4,6 Prozent relativ niedrig (INS, USAID und UNICEF 2019).

Die Sterblichkeitsrate bei Kindern unter fünf Jahren ist zwar gesunken, liegt aber immer noch über dem Durchschnitt der Region.Im Jahr 2018 lag die Kindersterblichkeit bei 8,8 Prozent, hat also gegenüber 16,1 Prozent im Jahr 2000 abgenommen; gleichwohl liegt sie damit über dem Durchschnitt von 7,8 Prozent in Afrika südlich der Sahara. 2018 starben in der DR Kongo etwa 296.000 Kinder unter fünf Jahren (UN IGME 2019b). Neben Malaria, akuten Atemwegsinfekten und Durchfallerkrankungen ist Fehlernährung dort eine der Hauptursachen für die hohe Kindersterblichkeit (Kavle et al. 2019; MPSMRM, MSP und ICF International 2014). Die zwei Kongo-Kriege (1996 bis 1997 und 1997 bis 2003) lösten einen Anstieg der Kindersterblichkeit aus, insbesondere im Säuglingsalter (1 bis 11 Monate nach der Geburt) (Lindskog 2016). Die Provinzen mit den höchsten Kindersterblichkeitsraten sind Kasaï (16,9 Prozent), Haut- Lomami (13,1) und Sankuru (12,7). Interessanterweise wurden in mehreren Provinzen mit einem hohen Anteil anhaltender Konflikte relativ niedrige Kindersterblichkeitsraten ermittelt, wie beispielsweise in Nord-Kivu (2,6 Prozent), Sud-Kivu (3,8) und Ituri (4,4). Eine Analyse aus dem Jahr 2007 vermutete, dass in Nord-Kivu einerseits die Anwesenheit mehrerer Nichtregierungsorganisationen, die sich für die Reduktion der Kindersterblichkeit einsetzen, und andererseits der große Anteil von Kindern, die in Flüchtlingslagern leben, ursächlich für die niedrige Kindersterblichkeit gewesen sein könnten (Kandala et al. 2014).

Die Ernährungsvielfalt und -häufigkeit sind unzureichend. Maniok und Mais sind die am häufigsten konsumierten Grundnahrungsmittel in der DR Kongo, gefolgt von Reis. Bohnen und Palmöl sind ebenfalls wichtige Bestandteile der Ernährung (FEWS NET 2019). Fleisch, Fisch, Eier, Obst und Gemüse werden gelegentlich konsumiert, Milchprodukte hingegen selten (Kismul, Mapatano und Banea 2017). Nur 8 Prozent der Kinder im Alter von 6 bis 23 Monaten erreichen eine minimale Ernährungsdiversität (INS, USAID, und UNICEF 2019).

Die Wasser-, Sanitär- und Hygienebedingungen sind ungenügend und tragen zu Fehlernährung und schlechter Gesundheit bei. In Haushalten ohne sauberes fließendes Wasser besteht für Kinder ein höheres Risiko für Wachstumsverzögerung. Ein schlechter Zugang zu Wasser- und Sanitärversorgung hat höhere Anämieraten zur Folge (World Bank 2017). Nur 33 Prozent der Bevölkerung haben Zugang zu einer angemessenen Sanitärversorgung, 59 Prozent haben Zugang zu geeigneten Trinkwasserquellen und 22 Prozent haben Handwaschgelegenheiten mit Wasser und Seife im Haus, was eine Herausforderung für die wirksame Prävention der Ausbreitung von Covid-19 darstellt (INS, USAID und UNICEF 2019; UN Water 2020). Selbst vermeintlich geeignete Wasserquellen sind mit schädlichen Bakterien verunreinigt, darunter mehr als ein Drittel des Leitungswassers in Kinshasa, was verdeutlicht, dass eine Verbesserung der Wasserversorgung dringend notwendig ist (World Bank 2017).

Wie Hunger zurückgedrängt wurde

Foto: Kai Loeffelbein/Welthungerhilfe 2018; In einem Projekt der Welthungerhilfe in der Demokratischen Republik Kongo lernen Menschen aus dem Umkreis in einem Schulungsgarten Gemüseanbau-Methoden. Hier wird Knoblauch angebaut. Ausblenden

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In der DR Kongo waren Gruppenschulungen für Kleinbäuerinnen und -bauern und ein Fürsorgegruppen-Programm für Frauen und Kinder besonders wirksam. Das „Jenga Jamaa II“-Programm in Sud-Kivu umfasste eine Reihe von Interventionen zur Bekämpfung von Ernährungsunsicherheit und Unterernährung bei Kindern, unter anderem gruppenbasierte Anbauschulungen für Kleinbäuerinnen und -bauern (Farmer Field Schools), Farmer-to-Farmer-Schulungen und Frauen-Ermächtigungs-Gruppen. Ein weiterer Baustein waren Fürsorgegruppen für Schwangere und Kinder unter zwei Jahren. Dort wurden Schulungen zu Ernährung und Kindergesundheit angeboten, der Nutzgartenbau gefördert und monatliche Nahrungsmittelrationen (Mais- Soja-Mischung und Vitamin-A-angereichertes Speiseöl) bereitgestellt. Die Ermächtigungs- und Fürsorgegruppen sowie die Farmer Field Schools haben zu einer deutlichen Verbesserung der Ernährungsvielfalt und -sicherheit der teilnehmenden Haushalte beigetragen, wobei die Farmer Field Schools die größte Wirkung erzielten (Doocy et al. 2018). Auch die Kinderernährung wurde durch die Farmer Field Schools und Fürsorgegruppen verbessert, wobei Letztere hier am wirksamsten schienen. Dies deutet darauf hin, dass Ernährungsbildung vermutlich ein wichtiges Element für die Verbesserung der Kinderernährung war (Doocy et al. 2019).

Nahrungsergänzungsmittel für Schwangere verbessern den Ernährungszustand Neugeborener. Im Rahmen der „Women First“- Studie erhielten Frauen in der Provinz Équateur mindestens drei Monate vor der Empfängnis ein lipidbasiertes Nahrungsergänzungsmittel mit Mikronährstoffen sowie einen Protein-Energie-Zusatz, wenn sie einen niedrigen Body-Mass-Index (BMI) aufwiesen oder während der Schwangerschaft eine nur suboptimale Gewichtszunahme verzeichneten. Verglichen mit der Kontrollgruppe, die keine Nahrungsergänzungsmittel erhielt, waren die Kinder der Frauen in der Interventionsgruppe bei der Geburt größer in Bezug auf ihr Alter (Hambidge et al. 2019).

Geldtransfers und Nahrungsmittelgutscheine wirken sich ähnlich auf den Nahrungsmittelkonsum der Empfänger*innen aus, allerdings können Geldtransfers kostengünstiger sein. Concern Worldwide Concern Worldwide6 führte in einer informellen Siedlung in Masisi ein randomisiertes Experiment zu wirksamen Unterstützungsmaßnahmen für Haushalte in humanitären Kontexten durch. Die Ergebnisse zeigten keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich des Nahrungsmittelkonsums oder anderer Messgrößen zwischen den Empfänger*innen von Gutscheinen und Geldtransfers. Geldtransfers waren jedoch in der kontinuierlichen Verwaltung kostengünstiger, boten den Empfänger*innen mehr Flexibilität und möglicherweise mehr Sicherheit, da sie selbst entscheiden konnten, wann und wo sie die Transfers einlösen (Aker 2017).

Maßnahmen der Politik zur Ernährungssicherung

Foto: Kai Loeffelbein/ Welthungerhilfe 2018; Straßenbauprojekt in Masisi, Demokratische Republik Kongo. Ausblenden
  • Der Nationale Strategische Entwicklungsplan (PNSD, 2017–2050) legt die Leitlinien für die Entwicklung des Landes bis 2050 fest. Dieser Plan sieht drei Phasen vor: Von 2017 bis 2021 stehen Landwirtschaft und ländliche Entwicklung im Mittelpunkt, mit dem Ziel, bis 2021 ein Land mit mittlerem Einkommen zu sein. Zwischen 2021 und 2030 soll die DR Kongo durch Industrialisierung eine aufstrebende Volkswirtschaft werden. Von 2030 bis 2050 soll die Wirtschaft schließlich wissensbasiert und das Land voll industrialisiert werden (Green Climate Fund 2018). Die Verbesserung der Ernährungssicherheit gefährdeter Bevölkerungsgruppen ist Teil der ersten Phase (ADF 2016).

  • Die zweite Nationale Ernährungsstrategie, die 2013 verabschiedet wurde, verfolgt einen sektorübergreifenden Ansatz. Gefördert werden sollen das ausschließliche Stillen von Kindern in den ersten sechs Lebensmonaten, die häusliche Anreicherung von Beikost für Kinder im Alter von 6 bis 23 Monaten, Maßnahmen gegen Mikronährstoffmangel (Vitamin A, Eisen, Jod und Zink) und Maßnahmen zur Verbesserung der Ernährung schwangerer und stillender Frauen sowie die Früherkennung und Behandlung von Kinderkrankheiten, einschließlich akuter Fehlernährung. Außerdem sollen bis 2023 die Wachstumsverzögerung bei Kindern im Alter von 0 bis 23 Monaten um 50 Prozent gesenkt und die Verbreitung akuter Fehlernährung in allen Provinzen auf unter 10 Prozent reduziert werden (Kasiwa und Muzabedi 2020; World Bank 2019a).

  • Ziele der Nationalen Ernährungssicherheitsstrategie (PNSAN, 2017–2030) sind die Prävention und die Bewältigung von Landwirtschafts- und Ernährungskrisen (Kalala und Fyama 2019). Das Nationale Programm für Ernährungssicherheit in der Landwirtschaft (PROSANA) wurde 2020 als Teil des Landwirtschaftministeriums zur Koordinierung der PNSAN ins Leben gerufen und schließt auch weitere ernährungsrelevante Sektoren ein (FAO 2020h).

  • Der Nationale Agrarinvestitionsplan (PNIA, 2013–2020) ist der Planungsrahmen für in- und ausländische Investitionen in den Agrarsektor und die ländliche Entwicklung. Das Programm umfasst über seine Laufzeit etwa 5,7 Milliarden US-Dollar, von denen rund 9 Prozent (circa 540 Millionen US-Dollar) für die Verbesserung der Ernährungssicherheit sowie den Aufbau strategischer Nahrungsmittelreserven vorgesehen sind (UNDP, CAADP und NEPAD 2013).

  • Der Nationale Gesundheitsentwicklungsplan (PNDS, 2016–2020) legt den Ansatz des Landes zur Bewältigung der Probleme im Gesundheitswesen vor. Zu diesen zählen ein unzureichender Zugang zu einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung, fehlendes Fachpersonal und mangelnde Koordinierung im gesamten Gesundheitssystem. Die Strategie schließt auch die Stärkung und Erweiterung der Rolle von Gemeindemitgliedern und -strukturen ein (Devlin, Egan und Pandit-Rajani 2017). Der PNDS erkennt Fehlernährung als ein ernsthaftes Problem an und enthält Ziele zur Reduzierung von Wachstumsverzögerung und akuter Fehlernährung bei Kindern. Angestrebt wird zudem eine allgemeine Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung, was die Regierung seit der Verabschiedung des Plans mehrfach bekräftigt hat (MoPH DRC 2016; WHO 2020c).

Handlungsempfehlungen

Foto: Kai Loeffelbein/ Welthungerhilfe 2018; Fischzucht in Masisi in der Demokratischen Republik Kongo. Kinder rennen am Fischteich. Ausblenden
  • Eine bessere Sicherheitslage, vor allem im Osten der DR Kongo, ist für die Ernährungssicherheit unerlässlich. Die Bemühungen der Regierung, ehemalige Kämpfer*innen zu entwaffnen, zu demobilisieren und wieder einzugliedern, sind für diesen Prozess entscheidend (UN 2019c). Außerdem rät eine kürzlich durchgeführte, unabhängige strategische Analyse zu einer großzügigen übergangszeit und größtmöglicher Flexibilität, um angemessen auf den Verlauf der Ereignisse reagieren zu können, sobald die Regierung der DR Kongo entscheidet, die Sicherheit des Landes wieder eigenständig zu gewährleisten, und die Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in der DR Kongo (MONUSCO) beendet werden kann (UN 2019a).

  • Die Stärkung staatlicher Institutionen und ihrer Kapazitäten ist eine Grundvoraussetzung für die Verbesserung der Ernährungssicherheit. Rechtsstaatlichkeit und Vertrauen in die Institutionen sind unablässig für ein förderliches politisches Umfeld. Die schwache Regierungsführung und die begrenzten Regierungskapazitäten auf lokaler, provinzieller und nationaler Ebene sind wesentliche Hindernisse für die Ausweitung der Ernährungsprogramme. Das Nationale Ernährungsprogramm (PRONANUT) ist unterbesetzt und unterfinanziert und verfügt nicht über die erforderliche Expertise, um sein Mandat zu erfüllen (World Bank 2019a). Es benötigt mehr Ressourcen, um die eigenen Kapazitäten zu stärken und zuverlässige Programme umzusetzen.

  • Die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität und Produktion ist zentral, um die Ernährungssicherheit zu verbessern und die Stabilität im Land zu sichern. Um die Produktivität zu steigern, brauchen Landwirt*innen einen besseren Zugang zu landwirtschaftlichen Betriebsmitteln (FAO 2018a). Technologien wie Kurzzyklus-Saatgut können besonders in konfliktanfälligen Gebieten nützlich sein (FAO 2018b). Das landwirtschaftliche Beratungssystem ist hinsichtlich Wissens- und Technologievermittlung bei den Landwirt*innen trotz guter personeller Ausstattung wenig erfolgreich. Zusätzliche Schulungen, Gelder und Anreize für die Berater*innen sind ebenso erforderlich wie eine bessere Koordination, eine klare, einheitliche Strategie und ein klares Mandat für das Beratungssystem (Ragasa et al. 2016). Um Landrechte für Bäuerinnen und Bauern, insbesondere im Osten der DR Kongo, zu sichern, ist eine Reform des Grundbesitzsystems nötig (International Land Coalition 2020). Damit die Landwirt*innen ihre Beschaffungs- und Absatzmärkte erreichen können, muss die Verkehrsinfrastruktur – derzeit vielerorts durch eine geringe Straßenqualität und -dichte gekennzeichnet – verbessert werden (Marivoet et al. 2018).

  • Ernährungsbildung und eine angemessene Ernährungspraxis bei Säuglingen und Kleinkindern müssen gestärkt werden. Die DR Kongo verfügt über ein System ehrenamtlicher kommunaler Gesundheitshelfer*innen (relais communautaires). Sie bieten den Haushalten eine ganzheitliche Behandlung bei Malaria, Durchfall und Atemwegserkrankungen, Beratung zu Ernährung, reproduktiver, Mütter-, Neugeborenen- und Kindergesundheit, einschließlich Familienplanung, sowie Beratung hinsichtlich Wasser-, Sanitärversorgung und Hygiene, HIV/Aids und Krankheitsprävention (Devlin, Egan und Pandit-Rajani 2017). Beratungen zur angemessenen Ernährungspraxis bei Säuglingen und Kleinkindern sind jedoch begrenzt, sodass dieser Bereich wesentlich gestärkt werden muss (Locks et al. 2019; Kavle et al. 2019). Die Gesundheitshelfer*innen haben Schwierigkeiten, die Gemeinden zu erreichen, unter anderem wegen schlechter Straßen und mangelnder Sicherheit. Zudem braucht es größere staatliche Unterstützung, etwa durch mehr Finanzmittel, Ausbildung, Kapazitätsaufbau und einen besseren Zugang zu Versorgungsgütern (Community Health Roadmap 2019).

  • Jugendliche brauchen einen besseren Zugang zu Familienplanung und reproduktiver Gesundheitsversorgung. Dies kann auch zur Verbesserung der Kinderernährung beitragen. Kinder junger Mütter haben in Afrika südlich der Sahara ein höheres Risiko für Wachstumsverzögerung (Kismul et al. 2018; Fink et al. 2014). In der DR Kongo sind 23,4 Prozent der 15- bis 19-jährigen Mädchen schwanger oder haben bereits ihr erstes Kind bekommen, und nur 9,5 Prozent der jugendlichen Mädchen, die verheiratet sind oder einen Partner haben, wenden eine moderne Verhütungsmethode an (INS, USAID und UNICEF 2019). Das Wissen der Jugendlichen über Verhütungsmethoden ist begrenzt, und Barrieren wie etwa die Angst vor sozialer Stigmatisierung behindern den Zugang dazu (Muanda et al. 2018). Während die sexuelle und reproduktive Gesundheitsversorgung von Jugendlichen in den letzten Jahren gefördert wurde, sind mehr Gelder und eine bessere Verfügbarkeit solcher Dienste dringend erforderlich (Kwete et al. 2018). Außerdem sind jugendliche Mädchen und Frauen häufig Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt und von Vergewaltigungen als Kriegswaffe. Für eine wirksamere Strafverfolgung solcher Verbrechen müssen soziale Normen hinterfragt und das Justizsystem gestärkt werden (UNFPA 2019).

  • Um die Herausforderungen im Bereich Wasser-, Sanitärversorgung und Hygiene zu bewältigen, sind institutionelle Reformen und der Aufbau weiterer Kapazitäten nötig. Das Wassergesetz von 2015– 2016 fördert die Dezentralisierung und die Bereitstellung der Wasserund Sanitärversorgung durch die Kommunalverwaltungen, allerdings benötigen Provinz- und Kommunalbehörden mehr Ressourcen und Kapazitäten, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Um Effizienz und Kohärenz auf nationaler Ebene zu gewährleisten, muss außerdem die Verantwortung für die Gestaltung und Regulierung des Sektors konsolidiert und nicht mehr zwischen mehreren Ministerien aufgeteilt werden. In städtischen Gebieten wird dringend eine bessere Sanitärversorgung benötigt, und die Wasserqualität, selbst bei verbesserten Quellen, sollte überwacht und erhöht werden. Menschen im ländlichen Raum brauchen einen wesentlich besseren Zugang zu einer angemessenen Wasser- und Sanitärversorgung (World Bank 2017).

  • Interventionen zur Verbesserung der Ernährungssicherheit sollten die unterschiedlichen Kontexte und regionalen Bedingungen innerhalb des Landes berücksichtigen. Während es für die DR Kongo in vielerlei Hinsicht nur wenige Daten gibt, konnten mittels einer kürzlich entwickelten Klassifizierungsmethode mehrere vorrangige Interventionszonen innerhalb des Landes und deren dringendste Bedarfe identifiziert werden. In Kombination mit anderen Daten können Interventionen zur Verbesserung der Ernährungssicherheit so präziser auf die unterschiedlichen Regionen des Landes ausgerichtet werden (Marivoet, Ulimwengu und Sedano 2019).

  • Organisationen der humanitären Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit müssen dazu beitragen, die Ursachen von Hunger und Armut zu beheben, und dabei die höchsten Ethikstandards einhalten, um zu dauerhaften Lösungen beizutragen. Bei anhaltenden Krisen wie in der DR Kongo ist neben Nothilfe auch die Unterstützung der langfristigen Entwicklung unerlässlich (Mosello, Chambers und Mason 2016). Einem aktuellen Bericht zufolge sind Betrug und Korruption unter humanitären Organisationen in der DR Kongo weitverbreitet (Kleinfeld und Dodds 2020). Diese Organisationen müssen unverzüglich Reformen umsetzen und zu Vorbildern der Korruptionsbekämpfung werden, statt diesen Missstand zu verschärfen.

Blickpunkt: Concern Worldwide und die Welthungerhilfe In der DR Kongo

Foto: Kai Loeffelbein/ Welthungerhilfe 2018; In einem Projekt der Welthungerhilfe lernen Menschen aus dem Umkreis in einem Schulungsgarten Gemüseanbau-Methoden. Hier wird Knoblauch angebaut. Ausblenden

Box 3.1

BLICKPUNKT: CONCERN WORLDWIDE UND DIE WELTHUNGERHILFE IN DER DR KONGO

Gemeinsam mit lokalen Partnern setzen Concern Worldwide und die Welthungerhilfe in der DR Kongo Programme um, die humanitäre Hilfe mit längerfristigen Projekten der Entwicklungszusammenarbeit verknüpfen. Dank ihrer jahrelangen Erfahrungen vor Ort haben beide Organisationen bedeutende Expertise darin entwickelt, die Bevölkerung auch angesichts wiederkehrender Schocks und dauerhafter Vertreibung nachhaltig zu unterstützen.

Mit Programmen zur Resilienzstärkung verfolgt Concern Worldwide einen ganzheitlichen Ansatz, um die Kapazitäten der Haushalte zu erhöhen, die sie benötigen, um sich von Schocks zu erholen und ihre Existenzgrundlagen wiederherzustellen. Die Organisation verbindet ihre Expertise in geldbasierten Nothilfe-Programmen und Gleichstellungsprogrammen mit dem längerfristigen „Graduation-Modell“ – einer ganzheitlichen Intervention, die Menschen bei den ersten Schritten aus der extremen Armut unterstützen soll und aus fünf aufeinander aufbauenden Elementen besteht: Zielgruppenorientierung; Konsumförderung; Aufbau von Ersparnissen; Transfer von Wirtschaftsgütern; sowie kontinuierliche Qualifizierungsmaßnahmen. Concern Worldwide führt darüber hinaus vielfältige Interventionen speziell im Bereich Wasser-, Sanitärversorgung und Hygiene durch. Dazu zählen der Bau und die Sanierung von Brunnen, Latrinen, Wasser- und Waschstationen sowie Kampagnen zur Verbesserung der Hygienepraxis, einschließlich der Menstruationshygiene. Dabei integriert Concern Worldwide auch Elemente zur Gleichstellung der Geschlechter sowie zur Prävention sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt und fördert die lokale Eigenverantwortung, um sicherzustellen, dass die Projekte nachhaltig sind.

Die Welthungerhilfe unterstützt gefährdete Gruppen wie Frauen, Binnenvertriebene, Rückkehrer*innen und Aufnahmegemeinschaften, indem sie auf akute Krisenlagen reagiert und die langfristige Entwicklung fördert. Sie verbindet Ernährungsprogramme mit Verbesserungen im Bereich Wasser-, Sanitärversorgung und Hygiene, nachhaltiger Nahrungsmittelproduktion, Marktanbindungen für Erzeuger*innen und Infrastruktur-Wiederaufbau. Um die Wirkung ihrer Projekte zu verstärken, unterstützt die Welthungerhilfe Kleinbäuerinnen und -bauern mit Ausbildungsmaßnahmen in den Bereichen Landwirtschaft und Ernährung. In Nord-Kivu führt sie seit mehreren Jahren gemeindebasierte Schulungen speziell für Frauen und Mütter durch, mit spürbarem Erfolg: Multiplikatorinnen tragen neue Kenntnisse über Anbautechniken und Ernährungspraktiken in ihre Gemeinden. Dort nutzen die Frauen das neue Wissen, um die Ernährung der Haushalte zu diversifizieren. Die neuen Anbautechniken erlauben es ihnen, ihr Einkommen durch den Verkauf einer größeren Produktmenge und -vielfalt zu erhöhen. Das zusätzliche Einkommen trägt nicht nur dazu bei, dass sie unter anderem das Schulgeld für ihre Kinder bezahlen können, sondern stärkt auch ihre Autonomie und ihre Beteiligung an der Entscheidungsfindung im Haushalt.

Gemeinsam mit ihren Partnern arbeiten Concern Worldwide und die Welthungerhilfe daran, Geschlechtergerechtigkeit auch durch die aktive Einbindung von Männern zu erhöhen. Dabei werden Männer ermutigt, Stereotype zu hinterfragen und einen gerechteren Umgang zwischen den Geschlechtern zu fördern. Zusätzlich wird das Bewusstsein für den Zusammenhang zwischen Familienplanung, Müttergesundheit und Ernährungssicherheit gestärkt.

Mit einem gemeinsamen Projekt stärken Concern Worldwide und die Welthungerhilfe die Resilienz und Ernährungssicherheit in der Region Masisi. In dieser bedeutenden Zielregion für Binnenvertriebene steht das Ernährungssystem unter Druck. Daher zielt das Projekt darauf ab, die landwirtschaftliche Produktion und das Wissen über Ernährung, den Zugang zu Wasser, die Diversifizierung der Existenzgrundlagen und die wirtschaftliche Ermächtigung der Teilnehmenden zu verbessern. Es unterstützt die Gemeinden dabei, potenzielle Katastrophen zu identifizieren, sich darauf vorzubereiten und ihnen vorzubeugen. Kleinbäuerliche Haushalte werden durch die Bereitstellung von Saatgut, Werkzeugen und Schulungen, die Förderung der Landnutzungsplanung sowie durch die Verbesserung ihrer Vermarktungsstrategien unterstützt. Die Unterstützung bei der Gründung von Kleinstunternehmen oder der Suche nach Arbeit richtet sich speziell an Frauen und junge Erwachsene. Das Projekt arbeitet eng mit lokalen Organisationen, Landwirtschaftsgruppen, Familien in ländlichen Gebieten und staatlichen Institutionen zusammen, um in den Gemeinden langfristige Kapazitäten aufzubauen.

 

Fußnoten

  1. Die hier genannten Armutsquoten beziehen sich auf die internationale Armutsgrenze von 1,90 US-Dollar pro Tag und Kopf (Kaufkraftparität 2011).  
  2. Die Verbreitung von Unterernährung misst chronischen Hunger, der sich von akuter Ernährungsunsicherheit unterscheidet. Siehe Box 1.2 für weitere Erläuterungen.  
  3. Um die Einflussfaktoren von Wachstumsverzögerung, Auszehrung bei Kindern und Kindersterblichkeit auf Provinzebene zu identifizieren, sind weitere Analysen erforderlich.  
  4. Die „minimale Ernährungsdiversität“ ist ein Standard, der das Minimum bezüglich Ernährungsvielfalt und Mahlzeitenhäufigkeit vorgibt und unterschiedliche Empfehlungen für gestillte und nicht gestillte Kinder enthält, die Milch oder Muttermilchersatzprodukte benötigen.  
  5. Veröffentlichte Evaluationen über die Wirkungen des Programms gingen indes nicht auf Aspekte der Kosten-Wirksamkeit ein, obwohl diese Einfluss auf die überlegungen über die Ausweitung des Programms hat.  
  6. Concern Worldwide ist einer der beiden Partner, die den Welthunger-Index-Bericht erstellen.