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Nepal

 

Eine eingehendere Betrachtung von Hunger und Unterernährung


 
   
Oktober 2020
Foto: 2018 Weihermann/Justfilms; Kinder auf dem Weg zur Schule im Distrikt Salyan in Westnepal. Ausblenden

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Kernbotschaften

  • Obwohl sich Nepals WHI-Wert in den letzten zwei Jahrzehnten verbessert hat, liegt er 2020 bei 19,5, was als mäßig eingestuft wird. Der aktuelle Wert lässt erhebliche Fortschritte bei der Reduzierung von Unterernährung erkennen, ferner eine rückläufige– wenn auch immer noch hohe – Wachstumsverzögerungsrate bei Kindern, eine leichte Abnahme der Auszehrungsrate bei Kindern und eine erhebliche Verringerung der Kindersterblichkeit.

  • Die Armut ist im Laufe der Zeit zurückgegangen, bleibt aber ebenso eine Herausforderung wie die sozialen und Einkommensungleichheiten.

  • Interventionen zur Verbesserung der Kindergesundheit haben viel dazu beigetragen, die Kindersterblichkeit zu verringern und den Ernährungszustand von Kindern zu verbessern. Ein Programm zur Nahrungsergänzung mit Vitamin A war besonders erfolgreich.

  • Die meisten Nepales*innen arbeiten in der Landwirtschaft, doch geringer Landbesitz und eine niedrige Produktivität erlauben den meisten Landwirt*innen nur eine Subsistenzwirtschaft. Obwohl einige landwirtschaftliche Interventionen dazu beigetragen haben, die Ernährungssicherheit vieler Nepales*innen zu erhöhen, benötigen die Landwirt*innen mehr Unterstützung und Ressourcen.

  • Nepals Bemühungen zur Hungerbekämpfung würden von Investitionen in den sozialen Sektor profitieren, die darauf abzielen, die Ernährung von Kleinkindern zu verbessern, Frühverheiratungen zu beenden, die Gleichstellung der Geschlechter zu fördern, marginalisierte und ausgegrenzte Gruppen zu ermächtigen, ein qualitativ hochwertiges, umfassendes Gesundheitssystem aufzubauen und eine qualitativ bessere Bildung für alle zu bieten.


Nepal ist ein ethnisch diverser Staat in Südasien mit einer Bevölkerung von 28 Millionen Menschen, der zahlreiche demografische Veränderungen durchlebt. Das Land kann in drei geografische Hauptregionen gegliedert werden: das Gebirge, das Hügelland und das Terai (Flachland). Laut der letzten Volkszählung im Jahr 2011 leben in den sieben Provinzen des Landes über 125 ethnische Gruppen/Kasten. Die Geburten- und Sterblichkeitsraten sind in den letzten Jahrzehnten rapide gesunken, während die Lebenserwartung steigt. Der Bevölkerungsanteil in den Berg- und Hügelregionen nimmt ab, während er im Terai zunimmt (UNFPA Nepal 2017). Obwohl Nepal überwiegend ländlich geprägt ist, erfährt es eine rasante Urbanisierung. Sowohl Binnen- als auch Emigration spielen eine wichtige Rolle für die nepalesische Bevölkerung und tragen zur Urbanisierung, Armutsminderung und Verbesserung des wirtschaftlichen Wohlstands bei (Brøgger und Agergaard 2019; Wagle und Devkota 2018). 2018 machten Rücküberweisungen 29 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus (World Bank 2020a).

Nepal erlebt eine Phase relativer politischer Stabilität und der Umstrukturierung politischer Institutionen, nachdem es in der jüngsten Vergangenheit massive Umwälzungen durchlaufen hat. Das Land wurde in den Jahren 1960 bis 1990 von einem König im sogenannten Panchayat-System regiert, bevor es infolge massiver Proteste in eine konstitutionelle Monarchie überging (Nightingale et al. 2018). Die ersten Jahre der neuen Regierung waren von Instabilität geprägt. Von 1996 bis 2006 erlebte Nepal einen Bürgerkrieg (Do und Iyer 2010). Nach dem Krieg wechselte das Land zu einem demokratischen System, mit dem Versuch, eine neue Verfassung zu formulieren, während es noch zu erheblichen Auseinandersetzungen zwischen zivilen Gruppen kam. Im Jahr 2015 erschütterte ein massives Erdbeben das Land, bei dem etwa 9.000 Menschen getötet und 23.000 verletzt wurden. Es entstand ein wirtschaftlicher Schaden von fast sieben Milliarden US-Dollar, was etwa einem Drittel von Nepals BIP entspricht (Nightingale et al. 2018; Gauchan et al. 2017). Die noch im selben Jahr verabschiedete Verfassung garantiert dem nepalesischen Volk 31 Grundrechte. Seitdem haben sich die Regierungsstrukturen und -institutionen zwar gefestigt, doch die politischen Spannungen sind weiterhin hoch (World Bank 2019c; Strasheim 2019). Zu den wichtigsten Aufgaben der Regierung gehören die Dezentralisierung und der Aufbau eines föderalen Systems.

Armut und Ungleichheit stellen große Herausforderungen für Nepal dar, wenngleich sich die Situation mit der Zeit verbessert hat. Das Pro-Kopf-BIP betrug 2018 lediglich 1.034 US-Dollar – der drittniedrigste Wert in ganz Asien (World Bank 2020a). 2019 lebten 39 Prozent der Bevölkerung in Armut und von 3,20 US-Dollar oder weniger pro Kopf und Tag, während 8 Prozent der Nepales*innen von maximal 1,90 US-Dollar pro Kopf und Tag in extremer Armut lebten. Letzterer Wert lag 2003 noch bei 50 Prozent (World Bank 2020a, c). Dieser Rückgang gründet vor allem auf der Zunahme der Emigration, welche die Löhne für die in Nepal verbliebenen Erwerbstätigen in die Höhe trieb, sowie auf dem enormen Anstieg der Rücküberweisungen seit Ende der 1990er-Jahre und der Abnahme der Geburtenrate und durchschnittlichen Haushaltsgröße (World Bank 2016b). Der holistischere Index der mehrdimensionalen Armut (Multidimensional Poverty Index) zeigt ebenfalls einen Rückgang: von 59,4 Prozent im Jahr 2006 auf 28,6 Prozent im Jahr 2014 (GoN und OPHI 2018). Die niedrigsten Quoten mehrdimensionaler Armut haben die Provinzen Bagmati Pradesh und Gandaki Pradesh, die höchsten Provinz 2 und Karnali Pradesh (GoN und OPHI 2018). Ungleichheit bei Beschäftigungsmöglichkeiten und Löhnen besteht unter anderem entlang der geografischen Herkunft, Ethnizität, Kaste und des Geschlechts (Mainali, Jafarey und Montes-Rojas 2017; Yamamoto et al. 2019).

Der Agrarsektor ist für die Wirtschaft von entscheidender Bedeutung, aber geringer Landbesitz und eine niedrige Produktivität sind ein Problem für die Landwirt*innen. 70 Prozent der Beschäftigten arbeiten in der Landwirtschaft, 13 Prozent in der Industrie und 17 Prozent im Dienstleistungssektor. 25 Prozent des BIP werden in der Landwirtschaft, 13 Prozent in der Industrie und 51 Prozent im Dienstleistungssektor erwirtschaftet (World Bank 2020a). Angebaut werden in Nepal hauptsächlich Reis, Mais, Weizen, Hirse, Gerste, Hülsenfrüchte, ölpflanzen und Zuckerrohr (CCAFS 2020). Insgesamt ist die Produktivität im Reis- und Getreideanbau in den letzten Jahrzehnten zwar gestiegen, doch liegen die Erträge weiterhin unter dem Durchschnittswert Südasiens (FAO 2020d). Das Angebot an landwirtschaftlicher Beratung ist begrenzt, und ihre Effektivität wird oft durch mangelnde Motivation sowie geringe ortsspezifische Kenntnisse und Fähigkeiten der Berater*innen beeinträchtigt (Kyle und Resnick 2019). Die Mechanisierung der Landwirtschaft – vor allem die Nutzung von Traktoren – hat im Laufe der Zeit zugenommen und zu höheren Grundnahrungsmittelerträgen geführt. Diese Fortschrittewurden jedoch hauptsächlich im Terai erreicht, der landwirtschaftlich produktivsten Region, und waren bei Kleinbäuerinnen und -bauern mit geringen Ressourcen weitgehend minimal (Takeshima 2017). Nur etwas mehr als die Hälfte der landwirtschaftlichen Nutzfläche Nepals wird bewässert, während ein großer Teil der Landwirt*innen Regenfeldbau betreibt und besonders anfällig für die Auswirkungen des Klimawandels ist (Pradhan und Belbase 2018). Die durchschnittliche Größe der landwirtschaftlichen Nutzfläche liegt bei lediglich 0,7 Hektar, wobei über die Hälfte der landwirtschaftlichen Haushalte weniger als 0,5 Hektar Land besitzt, weshalb für sie kaum mehr als Subsistenzwirtschaft möglich ist (GoN 2015a).

Nepal ist im Hinblick auf die Covid-19-Pandemie extrem gefährdet. Angesichts seiner knappen Haushaltsmittel, seiner sich immer noch entwickelnden Regierungsstrukturen sowie seines schwachen Gesundheitssystems – insbesondere mit Blick auf kritische Ressourcen wie Beatmungsgeräte, Isolationsstationen in Krankenhäusern und persönliche Schutzausrüstung – verfügt das Land nur über begrenzte Ressourcen zur Bewältigung der Pandemie (Bhattarai 2020). Die Ernährungssicherheit ist sowohl durch die globale Gesundheitskrise als auch durch die wirtschaftlichen Folgen, einschließlich sinkender Rücküberweisungen und eines geringeren BIP-Wachstums, gefährdet (Budhathoki 2020).

Hunger in Nepal

Foto: Schatzschneider/Welthungerhilfe 2018; Lal Maya Praja gehört zur Farmer-Gemeinschaft von Bissnu Maya Chepang in Nepal. Hier zu sehen ist ein Ziegenstall, unter dem der Kot der Tiere gesammelt wird. Aus der Mischung aus Wasser, Urin und verschiedenen Blättern wird ein Dünger, der auf den Feldern auch als Pestizid wirkt. Ausblenden
ABBILDUNG 3.4: WELTHUNGER-INDEX-WERTE UND INDIKATORWERTE FüR NEPAL 2000, 2006, 2012 UND 2020


Nepal’s Global Hunger Index Scores and Indicator Values, 2000, 2006, 2012, and 2020

Quelle: die Autor*innen.
Anmerkung: Die Unterernährungswerte beziehen sich auf die Verbreitung von Unterernährung in der Gesamtbevölkerung des Landes; Wachstumsverzögerung, Auszehrung und Kindersterblichkeit verweisen jeweils auf die Indikatorwerte für Kinder unter fünf Jahren. Die Daten für die WHI-Werte sowie zur Wachstumsverzögerung und Auszehrung bei Kindern stammen aus den Perioden 1998 bis 2002 (2000), 2004 bis 2008 (2006), 2010 bis 2014 (2012) und 2015 bis 2019 (2020). Das Datenmaterial zur Unterernährung wurde in den Zeiträumen 2000 bis 2002 (2000), 2005 bis 2007 (2006), 2011 bis 2013 (2012) und 2017 bis 2019 (2020) erfasst. Die Daten zur Kindersterblichkeit wurden in den Jahren 2000, 2006, 2012 und 2018 (2020) erhoben. Informationen zur Berechnung der WHI-Werte finden sich in Anhang B, jene zu den Quellen, aus denen die Daten zusammengestellt wurden, in Anhang C.

Nepals WHI-Wert 2020 liegt bei 19,5 und wird als mäßig eingestuft, nachdem er im Jahr 2000 noch bei 37,4 lag. Trotz Verbesserungen bietet die Ernährungsunsicherheit immer noch Grund zur Sorge. Die Verbreitung von Unterernährung – der prozentuale Anteil der Bevölkerung mit unzureichendem Zugang zu Kalorien – nahm von 23,6 Prozent im Zeitraum 2000 bis 2002 auf 6,1 Prozent in der Zeitspanne 2017 bis 2019 ab (Abbildung 3.4). Der Zugang zu Nahrungsmitteln ist im Gebirge eingeschränkter als im Terai. Mikronährstoffmangel, geringe Ernährungsvielfalt und eine hohe Abhängigkeit von Grundnahrungsmitteln sind weitverbreitet, was widerspiegelt, dass auf 75 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche Nepals Getreide angebaut wird (GoN NPC 2018). Gleichzeitig nehmen Adipositas und übergewicht zu, da immer mehr industriell verarbeitete Lebensmittel mit höherem Energie-, Fett- und Zuckergehalt konsumiert werden (Subedi, Marais und Newlands 2017). Die Ernährung nepalesischer Kinder im Alter von 6 bis 23 Monaten ist weitgehend unzureichend: Nur 36 Prozent erreichen eine minimale Ernährungsdiversität (MoH, New Era und ICF 2017). Naturkatastrophen wie überschwemmungen, Erdrutsche und Erdbeben, der Klimawandel, Armut, schlechte Infrastruktur (insbesondere in abgelegenen und Bergregionen), Urbanisierung, Emigration, die zu einem höheren Frauenanteil in der Landwirtschaft führt, sowie volatile Nahrungsmittelpreise gehören zu den Herausforderungen, die die Gewährleistung von Ernährungssicherheit erschweren (GoN NPC 2018; Tamang, Paudel und Shrestha 2014).

Die Sterblichkeitsrate von Kindern unter fünf Jahren ist von 20,8 Prozent im Jahr 1980 auf 8,1 Prozent im Jahr 2000 und auf 3,2 Prozent im Jahr 2018 gesunken. Daten zur Kindersterblichkeit aus den Jahren 2001 bis 2016 legen nahe, dass vor allem Kinder von Müttern starben, die bereits zuvor ein Kind verloren hatten, die während der Schwangerschaft keine Tetanus-Schutzimpfungen erhielten, keine Verhütungsmittel verwendeten, jünger als 20 Jahre alt oder Erstgebärende waren oder vor der Geburt keine eisen- und folsäurehaltigen Nahrungsergänzungsmittel zu sich genommen hatten (Ghimire et al. 2019).

Die Wachstumsverzögerungsrate bei Kindern, ein Indikator für chronische Unterernährung, ging zwar von 57,1 Prozent im Jahr 2001 auf 36,0 Prozent im Jahr 2016 deutlich zurück, ist damit aber noch immer inakzeptabel hoch. Die Fehlernährungsraten bei Kindern variieren je nach Region stark: während im Gebirge 46,8 Prozent der Kinder wachstumsverzögert sind, sind es im Terai 36,7 Prozent und im Hügelland 32,3 Prozent (MoH, New Era und ICF 2017). Im Gebirge korrespondieren ein schlechter Zugang zu nährstoffreicher Nahrung und eine geringe Ernährungsvielfalt mit höheren Wachstumsverzögerungsraten (GoN NPC 2018). Die Ermächtigung von Frauen in der Landwirtschaft – insbesondere ihr Zugang zu und ihre Entscheidungsbefugnis über Kredite, die Zufriedenheit mit ihrer Freizeit und ihre Autonomie beim Anbau – hat positive Auswirkungen auf die altersbezogene Körpergröße von Kindern (Cunningham et al. 2015).

Die Auszehrungsrate bei Kindern, ein Indikator für akute Unterernährung, ist von 11,3 Prozent im Jahr 2001 auf 9,6 Prozent im Jahr 2016 leicht gesunken. Die ökologische Zone mit der höchsten Auszehrungsrate ist das Terai mit 12,2 Prozent gegenüber Raten von 6,1 Prozent im Gebirge und 6,4 Prozent im Hügelland (MoH, New Era und ICF 2017). Die hohe Rate im Terai könnte auf die schlechten Hygiene- und sanitären Bedingungen zurückzuführen sein (GoN NPC 2018). Außerdem ist der Anteil der Kinder im Alter von 6 bis 23 Monaten, die eine minimale Ernährungsdiversität erreichen, im Terai am niedrigsten, obwohl dies die landwirtschaftlich produktivste Region des Landes ist. Auf Provinzebene hat Provinz 2 mit 14,4 Prozent die höchste Auszehrungsrate (Tabelle 3.2). Damit in Verbindung stehen gesellschaftliche Probleme, wie etwa das landesweit niedrigste Bildungsniveau sowie das geringste Alter von Frauen bei der Erstheirat, mit denen sich die Provinz konfrontiert sieht (MoH, New Era und ICF 2017). Eine im östlichen Terai durchgeführte Studie zur Ernährung von Kindern zeigte, dass die Kastenzugehörigkeit eine wichtige Rolle spielt und Kinder, die der Kaste der Dalit (der am stärksten marginalisierten ethnischen Gruppe/Kaste) angehören, höhere Wachstumsverzögerungs- und Auszehrungsraten aufweisen als andere Kinder (Kafle et al. 2017).

Geschlechterungleichheit und Herausforderungen wie frühe Mutterschaft, die speziell Mädchen betreffen, erhöhen die Ernährungsunsicherheit. Innerhalb von Haushalten sind Nahrungsmittel und Nährstoffe ungleich verteilt, wobei Frauen – einschließlich Schwangerer – gegenüber Männern deutlich benachteiligt sind (Harris-Fry et al. 2018). Obwohl Kinderehen in Nepal 1963 verboten wurden, ist diese Praxis immer noch weitverbreitet – mit bedeutenden Auswirkungen auf die Ernährung, da Kinder junger Mütter in der Regel seltener angemessen ernährt werden (Na et al. 2018).

Eine angemessene Gesundheitsversorgung ist entscheidend für die Ernährung, doch das derzeitige System ist unzureichend. Innerhalb von Haushalten sind Nahrungsmittel und Nährstoffe ungleich verteilt, wobei Frauen – einschließlich Schwangerer – gegenüber Männern deutlich benachteiligt sind (Harris-Fry et al. 2018). Obwohl Kinderehen in Nepal 1963 verboten wurden, ist diese Praxis immer noch weitverbreitet – mit bedeutenden Auswirkungen auf die Ernährung, da Kinder junger Mütter in der Regel seltener angemessen ernährt werden (Na et al. 2018).

Eine angemessene Gesundheitsversorgung ist entscheidend für die Ernährung, doch das derzeitige System ist unzureichend. Nepal hat zwar erfolgreich krankheitsorientierte und problembezogene Gesundheitsprogramme eingeführt, aber es gibt weiterhin kein qualitativ hochwertiges, umfassendes Gesundheitssystem (Sharma, Aryal und Thapa 2018). Mehr als die Hälfte der Nepalesinnen berichtet, Probleme beim Zugang zur Gesundheitsversorgung zu haben, weil ihnen das Geld für die Behandlung fehlt oder weil die Gesundheitseinrichtung zu weit weg ist. Etwa zwei Drittel der Frauen geben an, ungern allein in eine Gesundheitseinrichtung zu gehen oder dass es an Gesundheitshelferinnen mangelt (MoH, New Era und ICF 2017).

Wie Hunger zurückgedrängt wurde

Foto: JustFilms/Welthungerhilfe 2018; Frau bei Biodünger Produktion. Biodüngemittel haben die Qualität des Essens verbessert. Ausblenden

Tabelle 3.2

WHI-INDIKATORWERTE FüR NEPAL NACH PROVINZ UND öKOLOGISCHER ZONE

Provinz Wachstumsverzögerung bei Kindern (%) Auszehrung bei Kindern (%) Kindersterblichkeit (%)
Provinz 1 32,6 11,8 3,6
Provinz 2 37 14,4 5,2
Bagmati Pradesh 29,4 4,2 3,6
Gandaki Pradesh 28,9 5,8 2,7
Provinz 5 38,5 7,6 4,5
Karnali Pradesh 54,5 7,5 5,8
Sudurpashchim Pradesh 35,9 9,3 6,9
ökologische Zone
Gebirge 46,8 6,1 6,3
Hügelland 32,3 6,4 3,8
Terai 36,7 12,2 4,9
Gesamt 35,8 9,7 4,6
Quelle: MoH, New Era und ICF (2017).
Anmerkung: Alle Indikatoren gelten für Kinder unter fünf Jahren. Unterernährungswerte auf subnationaler Ebene sind für Nepal derzeit nicht verfügbar. Die hier aufgeführten Schätzwerte für das gesamte Land unterscheiden sich von den Werten in Abbildung 3.4, weil sie aus verschiedenen Quellen stammen. Diese Tabelle bezieht sich auf MoH, New Era und ICF (2017), wo die Werte der Provinzen einzeln genannt sind. Die Werte zu Wachstumsverzögerung und Auszehrung in Abbildung 3.4 stammen aus UNICEF, WHO und World Bank (2020a) und spiegeln zusätzliche Analysen wider, die über jene aus MoH, New Era und ICF (2017) hinausgehen. Die Schätzwerte zur Kindersterblichkeit beziehen sich auf die zehn Jahre vor der Erhebung von 2016 und wurden zur Berechnung des landesweiten Gesamtwerts herangezogen. Abbildung 3.4 basiert auf UN IGME (2019b), die Schätzwerte für einzelne Kalenderjahre enthält und zur Berechnung der WHI-Werte genutzt wurde.

Die in den letzten 25 Jahren gestiegene Ernährungssicherheit in Südasien – einschließlich eines Rückgangs der Unterernährung – ist hauptsächlich auf eine höhere Getreideproduktion und steigende Erträge, sinkende Bevölkerungswachstumsraten und höhere Staatsausgaben im Verhältnis zum BIP zurückzuführen. Der Getreideertrag pro Hektar ist in Nepal von 1.900 Kilogramm im Jahr 1990 auf etwa 2.800 Kilogramm im Jahr 2017 zwar deutlich gestiegen, liegt damit aber weiterhin unter dem Durchschnitt Südasiens (Mughal und Fontan Sers 2020). Eine Analyse von Daten aus Nepal von 1995 bis 1996 und von 2003 bis 2004 ergab, dass eine höhere landwirtschaftliche Produktivität tatsächlich zu einer Verbesserung der Ernährungssicherheit der Haushalte führte, insbesondere für solche mit geringerem Einkommen (Morioka und Kondo 2017).

Zunehmender Wohlstand und Verbesserungen bei Gesundheits- und Ernährungsprogrammen, der Sanitärversorgung und im Bildungswesen sind die Hauptgründe für die jüngsten Fortschritte bei der Kinder- und Mütterernährung.Die Verringerung der Wachstumsverzögerung bei Kindern in Nepal von 57 Prozent im Jahr 2001 auf 41 Prozent im Jahr 2011 steht im Zusammenhang mit gestiegenen Haushaltsvermögen, einer höheren Bildung von Müttern, besserer Sanitärversorgung und der Umsetzung und Nutzung von Gesundheits- und Ernährungsprogrammen einschließlich pränataler und neonataler Versorgung (UNICEF, WHO und World Bank 2020a; Headey und Hoddinott 2015). Eine diesbezügliche Studie zeigt, dass dieselben Faktoren zu Verbesserungen bei der altersbezogenen Körpergröße von Kindern, ihrem größenbezogenen Gewicht und dem Body-Mass-Index von Müttern führten. Vor allem die Toilettennutzung in den Gemeinden, welche die offene Defäkation reduziert, erwies sich hier als ausschlaggebend (Cunningham et al. 2017).

Nepal hat die beeindruckende Verringerung der Kindersterblichkeit vor allem dank der Umsetzung umfassender Maßnahmen zur Kindergesundheit erzielt. In den 1980er- und 1990er- Jahren wurden Interventionen zur Sicherung des überlebens von Kindern ausgeweitet: Diagnostik und Behandlung akuter Atemwegsinfektionen, Vitamin- A-Supplementierung, routinemäßige Immunisierung, Kontrolle von Durchfallerkrankungen und Malaria sowie Familienplanung (BASICS II, The MOST Project und USAID 2004). Die Reduzierung der Kindersterblichkeit zwischen 1991 und 2011 beruht zum Teil auf der flächendeckenden halbjährlichen Vitamin-A-Supplementierung und Entwurmung, der gemeindebasierten und ganzheitlichen Behandlung von Kinderkrankheiten, den hohen Raten der Vollimmunisierung von Kindern und der stärkeren Förderung des ausschließlichen Stillens von Kindern unter sechs Monaten. Weitere Faktoren sind Verbesserungen in den Bereichen Ernährung, Bildung und Infrastruktur wie beispielsweise Gesundheitseinrichtungen, befestigte Straßen, Mobilfunknetze sowie Wasser- und Sanitärversorgung (MoHP et al. 2014).

Landwirtschaftsprogramme, einschließlich Nutz- und Schulgartenprogrammen, waren sehr erfolgreich. Eine Intervention, die den Anbau verbesserter Maissorten in den nepalesischen Hügeln förderte, verlängerte die ernährungssichere Zeit der teilnehmenden Familien um 1,6 Monate im Vergleich zu Zeiten, in denen sie nicht verbesserte, lokale Maissorten anbauten (Tiwari et al. 2010). Ein Programm zur Förderung der heimischen Nahrungsmittelerzeugung mittels Nutzgartenanbau, Geflügelhaltung und Ernährungsbildung im Distrikt Baitadi in der Provinz Sudurpashchim Pradesh verringerte die Anämie bei Kindern im Alter von 12 bis 48 Monaten und ihren Müttern und reduzierte das Untergewicht bei Frauen, wenngleich es das Kinderwachstum nicht verbesserte (Osei et al. 2017). Ein sektorübergreifendes Programm in den Distrikten Dolakha und Ramechhap in der Provinz Bagmati Pradesh, welches Schulgärten, Aktivitäten zur Ernährungs- und Gesundheitsförderung und Verbesserungen bei Wasser-, Sanitärversorgung und Hygiene beinhaltete, führte zu einem höheren Obst- und Gemüsekonsum bei Kindern, weniger parasitären Darminfektionen und besseren Hygienepraktiken (Shrestha et al. 2020).

Projekte zur Förderung der Viehzucht können die Kinderernährung ebenfalls verbessern. Kinder aus Haushalten, die an einer von Heifer International im Terai und im Hügelland durchgeführten Intervention mit Schulungen zur Viehzucht und gemeindebasierten Entwicklungsmaßnahmen teilgenommen hatten, wiesen größere Verbesserungen bei altersbezogener Körpergröße und -gewicht auf als Kinder aus Kontrollhaushalten (Miller et al. 2014). Eine Folgemaßnahme zeigte die größten Verbesserungen bei Kinderwachstum und -ernährung in jenen Haushalten, bei denen gemeindebasierte Entwicklungsaktivitäten, Ernährungsbildung und Schulungen zur Viehzucht kombiniert wurden (Miller et al. 2020).

Maßnahmen der Politik zur Ernährungssicherung

Foto: Schatzschneider/Welthungerhilfe 2018; Kinder beim Händewaschen. Ausblenden
  • Nepals Sektorübergreifender Ernährungsplan II (MSNP II, 2018–2022), ein Nachfolgeprogramm des ursprünglichen Sektorübergreifenden Ernährungsplans (2013–2017), bezieht sieben Sektoren in die Zusammenarbeit zur Bekämpfung von Fehlernährung ein: Bildung; Gesundheit; Landwirtschaft; Viehzucht; Trinkwasser- und Sanitärversorgung; Frauen, Kinder und soziale Sicherheit; und lokale Regierungsführung. Der Plan sieht vor, die Wachstumsverzögerung bei Kindern von 36 Prozent im Jahr 2016 auf 24 Prozent bis 2025 und 14 Prozent bis 2030 zu senken (SUN 2017).

  • Ziele der Agrarentwicklungsstrategie (ADS, 2015–2035) sind die Kommerzialisierung und Diversifizierung des Agrarsektors sowie nachhaltiges Wachstum der Landwirtschaft und dauerhafte Armutsreduktion (GoN NPC 2018). Die Strategie strebt unter anderem die Stärkung des privaten und des genossenschaftlichen Sektors sowie die Förderung öffentlich-privater Partnerschaften an (MOAD 2015; Gairhe, Shrestha und Timsina 2018). Die Umsetzung der Strategie verlief jedoch langsam, was zum Teil auf mangelnde Koordination zwischen den leitenden Behörden zurückzuführen ist (Subedi 2020; GoN NPC 2018).

  • Der Ernährungssicherheitsplan (FNSP, 2013–2023) ergänzt die Agrarentwicklungsstrategie durch seine Ausrichtung auf die ärmsten Haushalte, um sicherzustellen, dass diese von den Programmen auf nationaler Ebene sowie der Agrarentwicklungsstrategie profitieren. Ziel des Ernährungssicherheitsplans ist es, Hunger, Fehlernährung und Armut in den ärmsten Haushalten durch die Förderung nachhaltiger landwirtschaftlicher Existenzgrundlagen zu verringern (MOAD 2013).

  • Das Gesetz über das Recht auf Nahrung und Ernährungssouveränität (Right to Food and Food Sovereignty Act, 2018) begründet das Recht aller Bürger*innen auf Nahrung und Ernährungssicherheit.Es schreibt vor, dass „die Regierung Nepals sowie die Provinz- und Lokalregierungen in gegenseitiger Abstimmung die notwendigen Vorkehrungen für die Achtung, den Schutz und die Erfüllung“ dieser Rechte treffen (GoN 2018; GoN NPC 2018).

  • Artikel 38 der nepalesischen Verfassung (2015) schreibt die Rechte von Frauen fest. Dazu gehören das Recht auf eine sichere Mutterschaft und reproduktive Gesundheit sowie das Recht, keiner körperlichen, mentalen, sexuellen, psychologischen oder anderen Art von Gewalt oder Ausbeutung aufgrund religiöser, sozialer oder kultureller Traditionen oder Praktiken oder aus anderen Gründen ausgesetzt zu sein (GoN 2015b). Darüber hinaus integriert die Regierung Nepals Praktiken und Prinzipien zur Gleichstellung der Geschlechter und zur sozialen Inklusion (Gender Equality and Social Inclusion – GESI) auf verschiedenen Ebenen und bindet dabei mehrere Fachministerien ein, die sich zu diesen Praktiken und Prinzipien bekannt haben (GESI Working Group 2017; GoN NPC 2018).

  • Die Strategie für das nepalesische Gesundheitswesen (NHSS, 2015–2020) garantiert den Zugang zu einer medizinischen Grundversorgung als Grundrecht aller Bürger*innen und schreibt das Bekenntnis des Landes zur Erreichung einer universellen Gesundheitsversorgung fest. Die Strategie erkennt Ernährung als Querschnittsthema an und betont eine bessere Umsetzung der bestehenden Pläne, Politiken und Strategien des Ministeriums für Gesundheit und Bevölkerung (MoHP 2015).

  • Der Sektorale Entwicklungsplan (SDP) des Ministeriums für Wasser- und Sanitärversorgung legt die Prioritäten fest, mit denen die Ziele für nachhaltige Entwicklung hinsichtlich sauberen Wassers und Sanitäreinrichtungen erreicht werden sollen, und dient als Rahmen für die Planung, Umsetzung, Koordinierung und das Monitoring aller Aktivitäten in diesem Sektor. Die Ziele der Regierung umfassen die Gewährleistung einer grundlegenden Wasserversorgung für 99 Prozent der Haushalte, eine Leitungswasser- und verbesserte Sanitärversorgung für 90 Prozent der Haushalte sowie die Beendigung der offenen Defäkation bis 2030 (Budhathoki 2019).

  • Nepals Gesetz zum Recht auf kostenlose und obligatorische Schulbildung (Right to Free and Compulsory Education Act, 2018) besagt, dass jedes Kind im Alter von 5 bis 13 Jahren das Recht auf kostenlose Bildung in einer nahegelegenen Schule bis zum Abschluss der Grundbildung hat (Jha 2019). Ferner haben Kinder das Recht auf kostenlose Sekundarschulbildung. Mit der Nationalen Bildungsstrategie (2019) soll Bildung auf allen Ebenen wettbewerbsfähig, technologiefreundlich, beschäftigungsorientiert und produktiv gemacht werden (Maharjan 2019).

Handlungsempfehlungen

Foto: Schatzschneider/Welthungerhilfe 2018; Trainings zum Thema Landwirtschaft. Wie wird ein Erntetunnel gebaut? Wie werden Setzlinge für den Verkauf gepflanzt? Wie wird Dünger selbst hergestellt? Diese und viele weitere Fragen werden in den Trainings behandelt. Ausblenden
  • Regierungsführung und Politikimplementierung sollten die Mehrdimensionalität von Ernährungssicherheit widerspiegeln.Um die Arbeit an ernährungssensiblen Schwerpunktthemen wie Landwirtschaft, Gesundheit und Frauenförderung zu bündeln, müssen institutionelle Kapazitäten ausgeweitet und die Regierungsführung verbessert werden. Die Zentralregierung sollte Koordinierungs- und Monitoringmechanismen auf verschiedenen Regierungsebenen und mit anderen Stakeholdern einrichten, um die subnationalen Entwicklungspläne auf Ziel 2 der Agenda für nachhaltige Entwicklung auszurichten. In Nepal gibt es bereits mehrere ehrgeizige Strategien, die jetzt eine vollständige Finanzierung und Umsetzung auf Bundes-, Provinz- und lokaler Ebene benötigen. Darüber hinaus sollten in allen Programmen und Sektoren die Praktiken und Prinzipien zur Gleichstellung der Geschlechter und zur sozialen Inklusion berücksichtigt werden.

  • Um den Agrarsektor zu stärken, muss die Regierung den Zugang der Landwirt*innen zu Technologien, Beratungsdiensten, Betriebsmitteln, Krediten und Märkten erleichtern. Nepals landwirtschaftliche Forschungs- und Beratungssysteme benötigen mehr, besser geführte und motivierte Mitarbeiter*innen, zusätzliche Ressourcen und eine bessere Koordination zwischen Bundes-, Provinz- und lokaler Ebene (Kyle und Resnick 2019; Babu und Sah 2019). Strategien, die die Entwicklung integrierter landwirtschaftlicher Wertschöpfungsketten unterstützen, können ebenfalls die Armut verringern, die Ernährungssicherheit erhöhen und die Widerstandsfähigkeit der Haushalte stärken (Kafle, Songsermsawas und Winters 2019). Die Förderung von Beschäftigungsmöglichkeiten in der Landwirtschaft für Jugendliche und rückkehrende Arbeitsmigrant*innen kann helfen, Einkommen und den Zugang zu Nahrungsmitteln zu sichern. Auch die unverhältnismäßigen Benachteiligungen von Landwirtinnen müssen beseitigt werden, zumal der Frauenanteil in der Landwirtschaft in Nepal aufgrund der Migration von Männern und ihrer Beschäftigung in anderen Sektoren zunehmend wächst (Aryal und Kattel 2019).

  • Ein stärkeres Augenmerk sollte auf die angemessene Ernährungspraxis bei Säuglingen und Kleinkindern und die dafür notwendige Aufklärung gelegt werden. Die Ernährungspraxis bei Säuglingen und Kleinkindern, insbesondere die Beikostfütterung von Kindern im Alter von 6 bis 23 Monaten, ist in den letzten Jahren langsam besser geworden, muss jedoch insgesamt noch weiter verbessert werden. Die Bedeutung der Beikostfütterung ab einem Alter von sechs Monaten muss stärker betont werden; vor allem bei Mädchen, die Beikost in der Regel später erhalten als Jungen. Bildungsprogramme über angemessene Ernährungspraktiken sollten speziell auf Bevölkerungsgruppen wie junge Mütter und geografische Regionen wie das Terai ausgerichtet sein, wo die Ernährungspraxis bei Säuglingen und Kleinkindern am schlechtesten ist (Na et al. 2018). Auch zur Förderung des Stillens ist eine stärkere Unterstützung von Müttern erforderlich, beispielsweise in Form von Mutterschaftsurlaub für berufstätige Mütter und Maßnahmen zur Behebung von Wissenslücken bei der Stillpraxis (UNICEF und WHO 2017; Dharel et al. 2020).

  • Um übergeordnete gesellschaftliche Ziele zu erreichen, muss die Qualität der Bildung verbessert und der Zugang erleichtert werden. Vor allem die Qualität der Bildung an den öffentlichen Schulen muss verbessert und ein gleichberechtigter Bildungszugang für alle Geschlechter, Kasten, Ethnien und andere Gruppen gefördert werden (Kharel 2017). Angesichts des bewiesenen Zusammenhangs zwischen dem Bildungsniveau von Müttern und dem Ernährungszustand von Kindern muss die Regierung die Faktoren beseitigen, die Mädchen zu einem Schulabbruch veranlassen, wie etwa unzureichende Sanitärversorgung, der Mangel an Lehrerinnen, die Belästigung von Mädchen (Dahal, Topping und Levy 2019), aber auch Frühverheiratungen (Sekine und Hodgkin 2017). Wenn die Lücken im Bildungssystem geschlossen werden, könnte darüber hinaus der aktuelle Fachkräftemangel des Landes in den Bereichen Gesundheitswesen, landwirtschaftliche Forschung und Beratung sowie Bildung langfristig behoben werden.

  • Um Frühverheiratungen zu verhindern, bedarf es weiterer Maßnahmen.Dazu gehören die Aufklärung von Mädchen, Jungen und den übrigen Gemeindemitgliedern über die Rechte von Mädchen und die Vorteile einer Heirat erst im Erwachsenenalter, mehr Aufklärung über sexuelle und reproduktive Gesundheit speziell für Jugendliche sowie zielgruppenorientierte Kampagnen zu Früh- und Kinderehen für die Kasten, ethnischen, geografischen und sozioökonomischen Bevölkerungsgruppen mit den höchsten Frühverheiratungsraten (HRW 2017).

  • Um bestehende Ungleichheiten zu beheben, ist die Ausweitung des Zugangs zu angemessener Wasser- und Sanitärversorgung erforderlich. Vor allem in ländlichen Gebieten muss die Versorgung mit fließendem Wasser in den Häusern ausgebaut und der Zugang zu angemessenen Wasserquellen für ärmere Bevölkerungsgruppen erleichtert werden. Außerdem ist es wichtig, die Instandhaltung bestehender Wasserversorgungssysteme zu verbessern – dafür benötigen die Wassernutzungskomitees zusätzliche finanzielle und technische Kapazitäten (Budhathoki 2019).

  • Maßnahmen, die den Zugang zu Gesundheitsversorgung verbessern und das Gesundheitssystem stärken, sollten priorisiert werden. Um Fehlernährung vorzubeugen und zu behandeln, die Covid-19-Krise zu bewältigen und sich auf zukünftige Ausbrüche von Infektionskrankheiten vorbereiten zu können, bedarf es der Stärkung des Gesundheitssystems. Dies erfordert eine Ausweitung der regulatorischen Rolle der Regierung und eine stärkere Zusammenarbeit zwischen öffentlichen, zivilgesellschaftlichen, genossenschaftlichen, Gemeinde- und privaten Organisationen, um dringend benötigte Versorgungen gewährleisten zu können (Sharma, Aryal und Thapa 2018). Die Barrieren für Frauen beim Zugang zur Gesundheitsversorgung müssen besonders berücksichtigt werden.

  • Damit zivilgesellschaftliche Organisationen ihre Aufgaben erfüllen können, müssen förderliche Arbeitsbedingungen geschaffen werden.Zivilgesellschaftliche Organisationen, zu denen auch viele nationale und internationale Nichtregierungsorganisationen zählen, tragen zur Förderung demokratischer Werte bei, stärken gute Regierungsführung und geben armen und marginalisierten Bevölkerungsgruppen eine Stimme (USAID 2018a). In den letzten Jahren wurden sie jedoch verstärkt kontrolliert und reguliert. Zivilgesellschaftliche Organisationen müssen frei und ohne unzulässige Eingriffe der Regierung arbeiten können (HRW 2019). Ihre Erfahrung bei der Bekämpfung von Hunger, Unterernährung, geschlechtsspezifischer Diskriminierung und Ungleichheit kann Regierungen auf lokaler, Provinz- und Bundesebene als wertvolle Ressource dienen, wenn das Umfeld für eine Zusammenarbeit förderlich ist.

Blickpunkt: Die Welthungerhilfe In Nepal

Foto: Schatzschneider/Welthungerhilfe 2018; Bäuerinnen nehmen am Kurs des Trainingsprogramms LANN+ (Linking Agriculture and Natural Resource Management towards Nutrition Security) ) der Welthungerhilfe in Jharlang, Nepal teil. Ausblenden

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BLICKPUNKT: DIE WELTHUNGERHILFE IN NEPAL

Die Welthungerhilfe arbeitet in Nepal Hand in Hand mit der Zivilgesellschaft, um sozial und wirtschaftlich marginalisierte Bürger*innen zu ermächtigen, ihre Widerstandsfähigkeit zu erhöhen und ihr Recht auf angemessene Ernährung zu gewährleisten. Nepal ist weitgehend agrarisch geprägt: mehr als 60 Prozent der Familien leben im ländlichen Raum, wo sie kleine Flächen bewirtschaften und mit erheblichen regionalen und sozialen Ungleichheiten konfrontiert sind. Die Welthungerhilfe und ihre Partner implementieren Programme, die die Bereiche Katastrophenvorsorge, Wasser-, Sanitärversorgung und Hygiene, Landwirtschaft sowie Ernährung miteinander verbinden und einen rechtebasierten Ansatz fördern, der soziale Inklusion, Geschlechtergerechtigkeit und die Ermächtigung von Bürger*innen in allen Sektoren einschließt.

Infolge des verheerenden Erdbebens von 2015 wurde ein Programm zur Verbesserung der Verfügbarkeit, des Zugangs zu und der Nutzung von Nahrungsmitteln im Distrikt Dhading ins Leben gerufen. Neben Ernährungsbildung und der Förderung von Nutzgärten mit nachhaltigen, integrierten Anbausystemen stellte das Programm den Teilnehmer*innen Nahrungsmittel- und Geldtransfers für den Aufbau landwirtschaftlicher Infrastruktur bereit. Damit wurden nicht nur die Nahrungsmittelverfügbarkeit verbessert und neues Fachwissen und Kompetenzen vermittelt, sondern auch die Ernährungsvielfalt der teilnehmenden Haushalte erhöht. Dieser umfassende Ansatz zur Verbesserung der Ernährungssicherheit erwies sich als erfolgreiche Strategie zur Krisenbewältigung und eine Möglichkeit zur nachhaltigen Stärkung der Existenzgrundlagen und Widerstandsfähigkeit (Ghimire 2020).

Mit Unterstützung der Welthungerhilfe und ihrer Partner schlossen sich Frauen im Distrikt Salyan zusammen, um kommerzielle Landwirtschaft zu betreiben. Die 20 Frauen gründeten eine Bäuerinnengruppe und pachteten Land, was ihnen ermöglichte, sich offiziell zu registrieren und Zugang zu landwirtschaftlichen Betriebsmitteln und Unterstützung durch die lokale Regierung und andere Organisationen zu erhalten. Neben dem Erhalt von Saatgut und Düngemitteln konnten die Frauen ihre Kompetenzen in Landwirtschaft und Vermarktung ausbauen. Das Projekt steigerte die Produktivität und den Umsatz durch den Aufbau kritischer landwirtschaftlicher Infrastruktur und die Einrichtung einer Sammelstelle für die Produkte. Auch hier zeigten Umfragen, dass das Projekt sowohl das Einkommen der Teilnehmerinnen als auch die Nahrungsmittelverfügbarkeit und -vielfalt erhöhte und die Ernährungspraktiken verbesserte. Gleichzeitig leistete das Projekt einen Beitrag zum Abbau geschlechter- und kastenbezogener Diskriminierung (Chaudhary, Shyam und Gurung 2019).

Darüber hinaus stärkt die Welthungerhilfe die Zivilgesellschaft, um die aktive Beteiligung der nepalesischen Bürger*innen an lokaler Regierungsführung zu fördern. Durch die Förderung von Konsultationen zwischen gemeindebasierten Organisationen und lokalen Behörden unterstützt sie die Gemeinden dabei, sich bei der Ermittlung und Priorisierung ihrer Bedürfnisse zu beteiligen – mit konkreten Erfolgen: Die Beiträge der teilnehmenden Gemeinden sind in die öffentlichen Entwicklungs- und Ernährungspläne und Budgets eingeflossen. Das Engagement der Bürger*innen und der Einsatz von Rechenschaftsinstrumenten haben außerdem die Qualität von und den Zugang zu staatlichen Dienstleistungen verbessert (wie etwa durch die Bereitstellung von Gesundheits-, Mutterschafts- und Sozialleistungen).

Derzeit beteiligt sich die Welthungerhilfe an der Prävention von Covid-19. In enger Zusammenarbeit mit ihren Partnern sowie den Regierungen auf lokaler, Provinz- und Bundesebene unterstützt sie Kommunen und lokale Gesundheitszentren mit der Bereitstellung medizinisch-sanitärtechnischer Ausrüstung und versorgt von der Pandemie betroffene Haushalte mit Lebensmittelrationen und Hygiene-Kits.

 

Fußnoten

  1. Die im Terai gelegene Provinz 2 verfügt über ein hohes landwirtschaftliches Potenzial, weist aber zugleich die landesweit zweithöchste Rate mehrdimensionaler Armut auf (GoN und OPHI 2018). Erfolge im Agrarsektor wurden durch schlechte Bewässerung und überschwemmungen während der Monsunzeit sowie durch die Konkurrenz durch billige Nahrungsmittelimporte aus Indien beeinträchtigt (Development Vision Nepal 2018).  
  2. Die „minimale Ernährungsdiversität“ ist ein Standard, der das Minimum bezüglich Ernährungsvielfalt und Mahlzeitenhäufigkeit vorgibt und unterschiedliche Empfehlungen für gestillte und nicht gestillte Kinder enthält, die Milch oder Muttermilchersatzprodukte benötigen.  
  3. Weltweit ist Unterernährung die Ursache für 45 Prozent aller Todesfälle bei Kindern unter fünf Jahren (Black et al. 2013). Für ausführliche Erläuterungen zur Berücksichtigung von Kindersterblichkeit im WHI siehe Wiesmann et al. (2015).  
  4. Das integrierte nachhaltige Landwirtschaftssystem (Sustainable Integrated Farming System) ist ein partizipativer Ansatz, mit dem Landwirt*innen in diversifizierten Anbaumethoden geschult und die Produktivität mittels stärkerer Integration verschiedener ökologischer Teilsysteme sowie durch Nacherntemanagement, Wertschöpfung und Vermarktung gesteigert werden sollen (Welthungerhilfe 2014).