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Box 2.2

BLICKPUNKT: CONCERN WORLDWIDE IN HAITI

Am Samstag, dem 14. August 2021, wurde Haiti von einem Erdbeben der Stärke 7,2 erschüttert. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts war das Ausmaß der Katastrophe noch unklar, aber erste Schätzungen gehen von 1.300 Toten, 5.700 Verletzten und mehr als 15.000 zerstörten oder beschädigten Wohnhäusern aus – Tendenz steigend.

Die Resilienz der haitianischen Bevölkerung angesichts der ökologischen, sozialen, wirtschaftlichen und politischen Instabilität ist ebenso außergewöhnlich wie das Ausmaß ihrer täglichen Herausforderungen. Obwohl sich das Land nicht im Krieg befindet, hat es über viele Jahrzehnte hinweg unter Gewalt gelitten. Im Jahr 2004 wurde eine UN-Friedensmission dorthin entsandt und zum ersten Mal in der Geschichte wurde ein Mandat erteilt, das die Anwendung von Gewalt erlaubte – nicht um einen aktiven Konflikt zu lösen oder ein Friedensabkommen durchzusetzen, sondern weil die politische und humanitäre Krise eine Bedrohung für den internationalen Frieden und die Sicherheit darstellte. Diese UN-Mission dauerte bis 2017 und wurde von einer kleineren Friedensmission abgelöst. In mehr als 27 Jahren in Haiti hat Concern Worldwide umfangreiche Erfahrung darin gesammelt, die Menschen vor Ort dabei zu unterstützen, Resilienz gegenüber den Schocks und Krisen aufzubauen, mit denen sie konfrontiert sind. Bei dieser Arbeit konzentriert sich Concern Worldwide vor allem auf die urbanen Zentren Haitis, in denen die Mehrheit der Bevölkerung lebt.

Haitis zunehmende Verstädterung hat zu einer hohen Bevölkerungskonzentration in der Metropolregion Port-au-Prince geführt, wo ausgedehnte Slums und hohe Arbeitslosigkeit enormen Druck auf die begrenzte soziale Infrastruktur und Daseinsvorsorge der Region ausüben. Schon lange vor dem katastrophalen Erdbeben von 2010 litten die Haitianer*innen unter schwierigen Lebensbedingungen, eingeschränkten Bildungsmöglichkeiten und schlechten wirtschaftlichen Aussichten. In den letzten Monaten hat sich die soziopolitische und wirtschaftliche Situation des Landes weiter verschlechtert (Präsident Jovenel Moïse wurde am 7. Juli ermordet), sodass marginalisierte Bevölkerungsgruppen noch anfälliger für soziale Krisen und Naturkatastrophen sind. Eines der Gebiete, in denen Concern Worldwide arbeitet, ist Cité Soleil, eine marginalisierte und stigmatisierte Gemeinde in der Region Port-au-Prince mit mehr als 265.000 Einwohner*innen. Im gesamten bisherigen Jahr 2021 war die Lage dort angespannt. Kraftstoffknappheit, Verkehrsbeeinträchtigungen und die Schließung von Geschäften und Schulen haben die Existenzgrundlagen der ärmsten Haushalte zusätzlich verschlechtert. Nach Angaben der Nationalen Koordinierungsstelle für Ernährungssicherheit (CNSA) sind 46 Prozent der Bevölkerung – 4,4 Millionen Menschen – ernährungsunsicher und bedürfen dringender Humanitärer Hilfe. In Cité Soleil befinden sich zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts 55 Prozent der Haushalte in einer Ernährungskrise oder einem humanitären Notfall (CNSA 2021).

Dort, wo Hunger und Konflikte aufeinandertreffen, implementiert Concern Worldwide eine Reihe ganzheitlicher Interventionen. Der Ansatz fokussiert dabei auf die Zusammenarbeit mit und durch lokale Vermittler*innen und Mitarbeitende im Gesundheitswesen und legt großen Wert auf gute Beziehungen zu lokalen Institutionen. Die Zusammenarbeit mit der Berufsschule Haiti Tec und dem Ausbildungszentrum Centre Animation Paysanne et d’Action Communautaire (CAPAC) beispielsweise hat diese Einrichtungen ermutigt, zusätzliche Investitionen in vulnerablen Gemeinden zu tätigen. Im Rahmen ihres adaptiven Ansatzes versucht Concern Worldwide, Technologie möglichst zielführend einzusetzen, unter anderem Mobiltelefone zur Verteilung digitaler Gutscheine oder Radiosendungen über gute Gesundheitsund Ernährungspraktiken.

Das integrierte Städteprogramm von Concern Worldwide ist darauf ausgerichtet, den Grundbedürfnissen der Menschen gerecht zu werden und gleichzeitig ihre Kapazitäten zu stärken, damit sie ihre künftigen Bedarfe selbst decken können. Die Organisation gibt den Menschen die Möglichkeit, Nahrungsmittel zu kaufen, und stellt gleichzeitig sicher, dass auf den Märkten qualitativ hochwertige Produkte vorab zugelassener lokaler Lieferant*innen angeboten werden. Ferner trägt das Programm zur Förderung guter Gesundheits- und Ernährungspraktiken bei, damit die Menschen eine ausreichende und nährstoffreiche Ernährung sicherstellen können, was zurzeit besonders wichtig ist.

Trotz des herausfordernden Kontexts und zunehmender Bedarfe hat sich die Arbeit von Concern Worldwide – in Kooperation mit Partnern und lokalen Gemeinden – positiv auf das Leben der Familien in Cité Soleil ausgewirkt. Ihre Programme haben dazu beigetragen, die Ernährungssicherheit von 3.000 der am stärksten gefährdeten und ernährungsunsichersten Haushalte der Gemeinde zu verbessern. Ihre Interventionen haben den Zugang der Haushalte zu Nahrungsmitteln verbessert, die Zahl der Familien mit negativen Strategien der Krisenbewältigung verringert und das Ernährungsverhalten der Menschen verbessert, was sich in einem gesteigerten Konsum von Obst und Gemüse und einer höheren Ernährungsvielfalt widerspiegelt. Seit Beginn der Ernährungsprogramme der Hilfsorganisation in Cité Soleil ist der Anteil der Bevölkerung mit einem angemessenen Nahrungsaufnahmewert (Food Consumption Score) von 39 Prozent auf 73 Prozent gestiegen. Überdies ist in der Zielgruppe der Anteil der Personen mit unzureichender Nahrungsaufnahme von 25 Prozent auf nur noch 2,1 Prozent gesunken. Angesichts der unzähligen Herausforderungen, vor denen die Menschen in Haiti stehen, ist es von entscheidender Bedeutung, dass diese Errungenschaften in den kommenden Monaten und Jahren gewahrt und ausgebaut werden.