PROJEKTBEISPIEL
Stärkung von Frauen in den Bereichen Ernährung und Klimaresilienz in Nepal
Strenge patriarchalische Normen bestimmen die Entscheidungen innerhalb von Familien in der konservativen Terai-Region in Nepal. Die Frauen in der Region – vor allem solche aus ethnischen Minderheiten und mit niedrigem sozialem Status – sind stark von Armut, sozialer Ausgrenzung und Marginalisierung betroffen und können ihre wirtschaftlichen, reproduktiven, gesundheitlichen und politischen Rechte nicht frei ausüben.
Diese Herausforderungen zeigen sich auch im Leben von Nita Patel, einer jungen Mutter, bei deren dreijähriger Tochter vor einem Jahr eine schwere akute Unterernährung diagnostiziert wurde. Nita weiß bis heute nicht, ob ihre Tochter außer Gefahr ist, denn sie konnte weder an der zweiten Vorsorgeuntersuchung ihres Kindes noch an den regelmäßigen Ernährungstreffen teilnehmen, für die sie sich einst erwartungsvoll angemeldet hatte. Laut Smita Pal, die mit FORWARD Nepal im Rahmen des Programms Nutrition Smart CommUNITY zusammenarbeitet, ist es für das Gesundheitspersonal oft schwierig, Frauen aus ländlichen Gebieten wie Nita in solchen Programmen zu halten. „Sie dürfen nicht ohne die Erlaubnis oder Begleitung eines Mannes ausgehen. Es fehlt ihnen an Raum und Möglichkeiten, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen“, so Pal. Jegliche Form von Veränderung stößt oft auf den Widerstand der Schwiegereltern oder anderer Familienmitglieder. Daher ist es essenziell, sowohl bei Männern als auch bei Frauen für eine Verhaltensänderung zu werben.
Der Nutrition-Smart-CommUNITY-Ansatz kombiniert systemische Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen, um die Ursprünge von chronischem Hunger und Mangelernährung durch vier Schlüsselstrategien anzugehen: Förderung von Verhaltensänderungen auf Haushaltsebene, Stärkung und Unterstützung gemeindebasierter Institutionen, Aktivierung und Verbesserung ernährungsrelevanter Leistungen und Förderung eines multisektoralen, gemeinschaftsbasierten Ansatzes zur Verwirklichung des Rechts auf Nahrung.
Das Programm zielt darauf ab, die Kompetenzen der Betreuungspersonen zu verbessern, um Mangelernährung sowohl in der Familie als auch im größeren Umfeld zu verhindern. Das beinhaltet auch die Schulung bezüglich der Zubereitung von Super Cereals. Diese sehr nahrhafte Mahlzeit beinhaltet lokal verfügbare, klimaresistente Lebensmittel wie Mais, Hirse, Hülsenfrüchte, Erbsen, Weizen, Sojabohnen, braunen Reis und verschiedene saisonale Früchte. Nita hat dieses Rezept gelernt und in den täglichen Speiseplan ihrer Tochter integriert. „Ich muss dafür nicht betteln oder meinen Mann oder meine Schwiegereltern um zusätzliches Geld bitten. Diese Zutaten sind auf unserem Hof oder zu Hause leicht erhältlich“, erzählt Nita.
Viele Männer wandern aus, um zu arbeiten, und überlassen die finanzielle Kontrolle der Familie oft ihren Vätern. Dadurch fehlt es den Frauen häufig an finanzieller Freiheit und Kaufkraft. Die Förderung kostengünstiger Rezepte und die Verbesserung des Zugangs von Frauen zu Wissen über die Zusammenhänge zwischen Landwirtschaft, Management natürlicher Ressourcen und Wasser, Sanitärversorgung und Hygiene sind entscheidend, um die Handlungskompetenz von Frauen zu stärken und Mangelernährung zu bekämpfen.
Um einen dauerhaften Wandel herbeizuführen, schult das Programm auch Männer über nahrhafte Lebensmittel. Im Rahmen von Farmer Field Schools lernen Männer und Frauen in der Gemeinde etwas über diverse Nutzpflanzen, gesunde Ernährung und nachhaltige Anbaumethoden, die die Ernährung und die Klimaresilienz verbessern. Diese Methoden beinhalten traditionelle, lokale und klimaresiliente Pflanzensorten wie Hirse sowie selbst hergestellten Biodünger und Bio-Pestizide, bekannt als jholmal. Nita und ihr Schwiegervater wenden diese Technikengemeinsam auf ihrem Hof an und tragen so zur Klimaresilienz bei. Zudem werden staatliche Einrichtungen geschult, um den Wandel nachhaltig zu unterstützen und Leistungen besser an die Gemeinschaft anzupassen. Um den Status der Frauen in den Gemeinden und darüber hinaus zu verbessern, stärkt das Programm auch die Führungs- und Handlungskompetenzen von Frauen, die Entscheidungsfunktionen in der lokalen Verwaltung übernehmen, zum Beispiel in Mikroplanungsprozessen, Spargruppen oder Wasserkomitees.
Das Infragestellen des Patriarchats und das Fördern von Verhaltensänderungen erfordern Zeit, insbesondere in Regionen wie dem Terai, wo diese Maßnahmen auf Widerstand stoßen. Der Fortschritt zeigt sich jedoch in Frauen wie Nita, die ein besseres Bewusstsein für ihre eigene Gesundheit und die ihrer Kinder entwickeln. Dies verdeutlicht, dass Ausbildung, Schulung, Zuhören und die Befähigung von Familien zur Übernahme neuer Verhaltensweisen erfolgreich Widerstände überwinden können.
- Dieses Projektbeispiel wurde von der Welthungerhilfe (WHH) erstellt. Nutrition Smart CommUNITY ist ein multisektoraler Ansatz, um Dorfgemeinschaften dabei zu helfen, die komplexen Ursachen des Hungers durch Selbsthilfe und nachhaltige Methoden ganzheitlich zu bekämpfen. In Nutrition Smart CommUNITYs arbeiten Menschen, lokale Organisationen und Behörden zusammen, um die Ernährung zu verbessern, indem sie die Landwirtschaft, die Gesundheit, die Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen und die Wasser-, Sanitär- und Hygieneversorgung (WASH) verbessern und dabei bewährte Methoden aus Ernährungsprojekten auf der ganzen Welt einbeziehen. Das Programm hat zunächst mit zwei Dörfern begonnen, inzwischen ist es auf 670 Modelldörfer in Bangladesch, Indien und Nepal ausgeweitet worden. Innerhalb von vier Jahren haben sich die Dörfer zu Zentren des Wissens und des Lernens entwickelt, auch für benachbarte Gemeinden. Die WHH weitet das Konzept nun auf Burundi, Äthiopien, Malawi, Sierra Leone und Tadschikistan aus. Die Initiative wird hauptsächlich vom deutschen Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und von Irish Aid finanziert.