Nitya Rao, University of East Anglia,
Siera Vercillo, Wageningen University
Gertrude Dzifa Torvikey, University of Ghana
Oktober 2024
Genderungleichheit, Ernährungsunsicherheit und der Klimawandel treffen aufeinander und setzen Haushalte, Gemeinschaften und Länder unter extremen Stress. Frauen und Mädchen sind in der Regel am stärksten von Ernährungsunsicherheit und Mangelernährung betroffen und leiden unverhältnismäßig stark unter den Auswirkungen von Wetterextremen und Klimanotfällen.
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Frauen sind unter den unterernährten Menschen nach wie vor am stärksten von Ernährungsunsicherheit betroffen, mit Unterschieden von bis zu 19 Prozentpunkten zwischen den Geschlechtern in einigen Ländern. Besonders gravierend ist die Lage in konfliktbetroffenen Gebieten. Frauen, die arm sind, auf dem Land leben, Migrantinnen, Fluchtlinge oder in informellen Beschäftigungen tätig sind, sind noch starker gefährdet.
Die Genderungleichheit in Ernährungssystemen ist groß – und der Klimawandel verschärft sie noch
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Auch Ernährungssysteme im weiteren Sinne diskriminieren Frauen. Ansätze in der Agrar- und Ernährungspolitik und in der Finanzpolitik reagieren oft nicht auf die zugrunde liegenden Machtverhältnisse zwischen Männern und Frauen, wie zum Beispiel diskriminierende Normen, Arbeitsbelastungen und Landvererbungsregelungen. Dennoch sind sie auf die unbezahlte landwirtschaftliche Arbeit und Fürsorge durch Frauen angewiesen, um ein ungerechtes Ernährungssystem aufrechtzuerhalten.
Es ist schwierig, meine Familie zu versorgen, weil der Ertrag aus meinem Land durch die Auswirkungen des Klimawandels sehr gering ist. Ich nutze die Hälfte meines Landes für die Ernte, aber das reicht nicht aus, um meine Familie zu ernähren.
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Gleichzeitig hat der Klimawandel überproportional starke Auswirkungen auf Frauen. […] Um die Auswirkungen des Klimawandels zu bewältigen, sind Frauen häufig einer zunehmenden Arbeitsbelastung ausgesetzt, einschließlich der Notwendigkeit, weitere Wege zum Wasserholen zurückzulegen. Sie sind gezwungen, mehrere Lebensunterhalte zu bestreiten, was ihre Zeitarmut verschlimmert und sich auf die Ernährungssicherheit auswirkt.
Weiblich geführte Haushalte werden bei einem weiteren Anstieg der globalenTemperaturen um ein Grad Celsius voraussichtlich 34 Prozent mehr Einkommen verlieren als männlich geführte
BOX 2.1
WIE GENDER MIT ANDEREN IDENTITÄTEN UND ERFAHRUNGEN ZUSAMMENHÄNGT
Gender bezieht sich auf die gesellschaftlichen Frauen und Männern zugeschriebenen Charakteristiken, die erlernt werden, sich im Laufe der Zeit verändern und sowohl innerhalb einer Kultur als auch zwischen Kulturen variieren. Während die Geschlechterbeziehungen die sozialen Machtverhältnisse und die Rollen, Verantwortlichkeiten, Möglichkeiten und Erwartungen von Frauen und Männern bezeichnen, sind diese Kategorien nicht homogen. Vielmehr ist die Erfahrung von Gender in der Intersektionalität verwurzelt und spiegelt die vielfältigen, sich überschneidenden Quellen von Identität und Unterdrückung wider, sei es Ethnie, Ethnizität, Kaste oder sexuelle Identität.
Ernährungssicherheit bedeutet nicht nur Vitamine, Mineralstoffe und eine abwechslungsreiche Ernährung, sondern sie ist Teil eines breiteren Systems, welches Frauen in Abhängigkeit von Lebensphase und sozialer Stellung auf unterschiedliche Weise betreffen kann. Da sich die Umstände überschneiden und überlagern, können sie zusammen zu einer kumulativen Belastung werden. Die Frauen, die am stärksten von Ernährungsunsicherheit und Nährstoffmangel betroffen sind, sind meist arme, ländliche Frauen mit geringer Bildung (HLPE 2023), indigene Frauen (Lemke and Delormier 2017), in Städten lebende, ärmere Frauen (Roy et al. 2023) und ältere Frauen (Assoumou et al. 2023). Diese sich überschneidenden Triebkräfte werden jedoch nicht systematisch dokumentiert oder von der Politik berücksichtigt (Lemke and Delormier 2017; Rao 2020).
Gendergerechtigkeit ist ein Eckpfeiler zur Erreichung von Klimaresilienz und Ernährungssicherheit
Gendergerechtigkeit – das heißt die Gleichstellung zwischen den Menschen in allen Lebensbereichen – ist entscheidend für eine gerechte Welt und für die Erreichung von Klima- und Ernährungsgerechtigkeit. Sie besteht aus drei miteinander verbundenen Dimensionen: Anerkennung, Umverteilung und Repräsentation.
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Anerkennende Gerechtigkeit bedeutet, dass genderdiskriminierende Normen umgestaltet werden müssen, um zu verändern, wie Haushalte, Gemeinschaften und Kulturen Geschlechterrollen und -fähigkeiten betrachten. Es bedeutet anzuerkennen, dass verschiedene Gruppen und Menschen unterschiedliche Bedürfnisse, Verwundbarkeiten und Möglichkeiten haben und dass sich ihr physischer Standort und ihre soziale Stellung überschneiden können, wodurch Ungerechtigkeiten verstärkt werden.
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Umverteilungsgerechtigkeit bedeutet, Ressourcen und Möglichkeiten so zu lenken, dass genderspezifische Ungleichheiten ausgeglichen werden können. Indem Frauen Zugang zu und die Kontrolle über wichtige Produktionsmittel erhalten, können ungleiche Machtdynamiken infrage gestellt und ein förderliches Umfeld für Ernährungssicherheit geschaffen werden.
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Repräsentation bezieht sich darauf, dass die genderspezifische Lücke der Beteiligung von Frauen an der Politik und Entscheidungsfindung auf verschiedenen Ebenen geschlossen wird. Gesetzesänderungen und die politische Teilhabe von und Führung durch Frauen können dazu beitragen, die Politik in Richtung Gendergerechtigkeit voranzutreiben, auch wenn solche Ergebnisse nicht garantiert werden können und Zeit benötigen.
Frauen bringen heutzutage das Essen auf den Tisch. Sie werden von den Männern in der Familie und in der Gemeinschaft mehr respektiert. Bei weniger Stress um Lebensmittel und Geld gibt es auch weniger Streit und körperliche Gewalt zu Hause.
Diese Situation verdeutlicht die Notwendigkeit von Reformen der Geschlechterbeziehungen auf struktureller Ebene. Obwohl es wichtig ist, Frauen den Zugang zu Ressourcen zu ermöglichen, wird Hunger ohne die Beseitigung struktureller Ungleichheiten – wie Klassendynamik, zunehmender Einkommensungleichheit, der Unternehmenskontrolle über Produktionssysteme und Mangel an hochwertigen Grundversorgungsleistungen – weiter bestehen.
FIGURE 2.2
ABBILDUNG 2.2
EBENEN UND MASSSTÄBE DES WANDELS ZUR ERREICHUNG VON GENDERGERECHTIGKEIT FÜR KLIMARESILIENZ UND ERNÄHRUNGSSICHERHEIT
Umverteilung
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Gleicher Zugang zu produktiven Ressourcen (wie Kredite und Finanzmittel, Saatgut, Wasser, Land und Gemeinschaftseigentum sowie Beratungsdienste)
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Chancengleichheit bei Bildung und Beschäftigung
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Gleiche Verteilung der universellen sozialen Sicherung
Repräsentation
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Vertretung in Entscheidungsgremien wie Parlamenten, lokalen Behörden und sektoralen Gremien
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Stärkung von Rechtsansprüchen und politischen Maßnahmen (zum Beispiel in Bezug auf Land- und Arbeitsrechte)
Anerkennung
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Stärkere Handlungskompetenz und Empowerment in Bezug auf Ressourcenkontrolle und Entscheidungsfindung
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Stärkung des Bewusstseins von Frauen und Männern für eine gerechte Nahrungsmittelproduktion und -versorgung
Anerkennung
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Anerkennung von Frauen als Landwirtinnen, Unternehmerinnen und Arbeitnehmerinnen
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Verringerung des Arbeitsaufwands für Frauen durch öffentliche Investitionen in Pflege, Bildung und Gesundheit
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Beseitigung diskriminierender kultureller Normen in Bezug auf Lebensmittel, Landwirtschaft, Umwelt und Märkte
Ohne kritische feministische, gendergerechte Ansätze für Klimaresilienz und Ernährungssicherheit, die sich mit den sich überschneidenden sozialen Faktoren befassen, besteht das Risiko, dass selbst Maßnahmen, die Frauen einbeziehen oder mit Ressourcen ausstatten, um ihre Lebensgrundlagen zu verbessern oder ihre Familien zu ernähren, ihre Arbeitsbelastung erhöhen oder zu einer – manchmal gewaltsamen – Gegenreaktion auf die erzielten Fortschritte führen.
Anmerkung: Dieses Kapitel gibt die Meinungen der Autorinnen wieder und entspricht nicht notwendigerweise den Ansichten der Welthungerhilfe, von Concern Worldwide oder des Instituts für Friedenssicherungsrecht und Humanitäres Völkerrecht (IFHV).